: Es ist sehr schön, konzentriert zu sein
KUNST Diese Filmemacherin nervt, „Können Sie mir das erklären“ bedrängt Corinna Belz den Maler Gerhard Richter im Atelier
VON BRIGITTE WERNEBURG
Die insgeheim tragende Rolle in diesem Films über den Maler Gerhard Richter hat die Filmemacherin selbst. Mit ihrem penetranten Nachfragen aus dem Off. Corinna Belz stellt sich doof. Vielleicht ist sie auch doof. Egal. Sie verweigert sich jedenfalls dem üblichen, allzu schnellen Einvernehmen mit dem Helden und sorgt so für die nötige Reibung, die zu einigen grundlegenden Einsichten in das Werk und das Schaffen von Gerhard Richter führt.
Corinna Belz durfte den Künstler 2009 in seinem Atelier beobachten, wo er an einer Serie abstrakter Großformate arbeitete. Wir sehen mit ihr, wie Richter malt und der Leinwand mit wenigen Farben ziemlich schnell Gestalt gibt. Wir sind dabei, wenn er das Gemalte betrachtet, bedenkt, verwirft, überarbeitet, erneut bedenkt. Wir schauen ihm zu, wie er das Bild zur Seite stellt, es wieder hervorholt und erneut daran arbeitet. Zuerst meint man, dass doch nichts langweiliger ist, als einem Maler beim Malen zuzuschauen; und dann – im Wissen um den Marktwert des Starkünstlers –, dass zehntausend Euro in der Stunde für Richter leicht drin sind.
Aber es klappt nicht so, wie es sich Gerhard Richter vorgestellt hat, die Bilder wollen nicht so leicht gelingen. Besonders eines widersetzt sich und schaut einfach nicht gut aus. Es wird nicht fertig. Denn das Bild, wie Richter sagt, ist für ihn dann fertig, wenn „es gut aussieht“. Die Kamera bringe ihn aus dem Konzept, beschwert er sich. Das versteht man spontan sehr gut. Nur Corinna Belz fragt, warum?, und versteht es nicht. Also muss Richter seine Befangenheit vor der Kamera erklären und erzählt dabei sehr schön, wie es ist, konzentriert an der Arbeit zu sein.
Was gut ausschaut, liegt natürlich vor allem im Auge des Betrachters. Für ihn könnte schon der erste Farbauftrag gut aussehen, der der zweidimensionalen Fläche Räumlichkeit gibt. Dagegen schafft nun die Rakel Abhilfe. Richter zieht die Schiene über das nasse Bild, um die Farben restlos zu verschmieren. Oft ist die Rakel selbst mit Farbe versehen, die sich mit den schon vorhandenen Farben vermengt. Die Rakel macht jedem Raumeindruck ein Ende. Jetzt gibt es keine Tiefe mehr, nur noch Oberfläche.
Diese Oberfläche schaut interessant und wirklich mal mehr oder mal weniger gut aus. Und nun wird es doch noch spannend, dem Künstler beim Malen zuzuschauen. Denn Richter lässt nicht locker, er verausgabt sich für diese Oberfläche, physisch, psychisch, intellektuell. Ihr Gelingen ist die große Herausforderung. Es gibt keine Idee, dem das Bild Ausdruck verleihen will, keine tiefere Bedeutung oder Aussage – außer der unvermeidlichen: unverkennbar ein Gerhard Richter zu sein.
Ein Markenkunstwerk, das der Skepsis geschuldet ist, die Richter hinsichtlich der vielfältigen Erwartungen an die Kunst hegt. Belz entgeht diese Ironie. Dazu beunruhigt sie Richters Skepsis zu sehr. Wunderbar das Missverständnis zwischen den beiden, als es um die Eltern geht und die Filmemacherin meint, hier käme endlich Vertrauen ins Spiel. Zustimmend, wie er glaubt, unterbricht Richter sie und verkehrt ihren angefangenen Satz ins Gegenteil, ja, ja, den Eltern könne man einfach nicht glauben. Was hätte er zu den Sammlern gesagt, die seine Zurückhaltung mit ihrer eigenen Zurückhaltung gegenüber den Herausforderungen der Kunst – jenseits der finanziellen – verwechseln? Die die Marke Richter kaufen, um sich nicht mit Kunst zu belasten?
So gewissenhaft und vorbehaltlos Richter auf Belz’ ständiges „Warum?“ und „Können Sie mir das erklären?“ eingeht, gibt es bei ihm keine Weigerung, sich zu erklären. Seine mangelnde Redseligkeit, die ihm gern zum Vorwurf gemacht wird, vielleicht liegt sie am fehlenden Anlass? Belz ist jedenfalls eine bemerkenswert unfeierliche, aufschlussreiche Studie des Malers gelungen. In einer langen Überblendung zeigt die letzte Einstellung wie Gerhard Richter wieder und wieder das riesige Rakel über die Leinwand zieht. Der kleine Mann und das große Gerät – das wirkt wie Buster Keaton. Nur dreht sich der kleine Mann dann um und strahlt in die Kamera: „Mann, macht das Spaß.“ Und da fragt auch Corinna Belz nicht mehr, warum?
■ „Gerhard Richter Painting“. Dokumentarfilm von Corinna Belz, Deutschland 2010, 97 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen