Ortstermin
: Powerpoint für Senioren

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms

Im Hamburger Stadtteil Blankenese, zwischen Villen, die von Gärten und meterhohen Bäumen eingerahmt sind, liegt unauffällig das Gelände der Clausewitz-Kaserne. Seit 1958 hat dort die Führungsakademie der Bundeswehr ihren Sitz, in diesem Jahr feiert sie ihr 50-jähriges Jubiläum. Jedes Jahr lädt die Akademie zu einer sicherheitspolitischen Tagung ein. Dort treffen sich dann Majore und Generäle und debattieren über die aktuelle Sicherheitslage.

In diesem Jahr stehen im Mittelpunkt Israel und Palästina. Doch bevor die Experten zu Wort kommen, gibt Generalmajor Wolf-Dieter Löser einen Überblick über die Ausbildungsmöglichkeiten an der Akademie. Steif wirkt der 58-Jährige in seiner Uniform, aber vor allem jung. Seine Rede ist überraschend humorvoll, oft bringt er die Herren zum Lachen. Von Masterstudiengängen informiert er bis hin zu Workshops über den Klimawandel; die knapp 350 geladenen Gäste, die ihre aktive Dienstzeit zum größten Teil schon hinter sich haben, applaudieren begeistert.

Powerpoint und Senioren prallen an diesem Tag aufeinander. Tuschelnd erzählen sich die Generäle in den Pausen von ihrer Ausbildungszeit: „Damals, als ich noch jung war“, ist eine oft gehört Redewendung.

Vor dem gläsernen Gebäude warten an diesem Vormittag Kamerateams auf den eigentlichen Ehrengast, Verteidigungsminister Franz-Josef Jung. Über eine Stunde gibt der Minister einen Überblick über die sicherheitspolitische Lage aus der Sicht Deutschlands. Lange redet er über den Einsatz im Kosovo sowie die kürzlich getöteten Polizisten in Afghanistan, nur kurz spricht Jung über den Libanon und Israel, Palästina bleibt aus.

Als er zum Ende seiner Rede kommt, rauscht er nicht wie erwartet sofort davon. 30 Minuten haben die Gäste Zeit, Jung mit Fragen zu löchern. Palästina ist auch bei ihnen kein Thema, lieber reden sie über die Aufstockung der Truppen oder über die Wehrpflicht – Themen die es auch schon gab, als sie jung waren.

In der Pause gibt es Kaffee und Zeit, weiter über die Sicherheitslage zu reden, aber dieses Thema grenzen die Offiziere im Ruhestand lieber aus. Über Enkelkinder und Reisen oder über Herrn Jung reden sie angeregt: „Er hat ja so viel besser geredet, als bei der letzten Konferenz.“ Im Anschluss führt Udo Steinbach, Leiter des Hamburger Instituts für Nahost-Studien, in die Nahostdebatte ein. Steinbach ist sehr pessimistisch, was einen baldigen Frieden angeht. „Ein Irankrieg ist nicht mehr auszuschließen“, sagt er. Vor dem erstarkenden Mullahregime im Iran haben alle Angst, der Westen, Israel, die Saudis und die Araber. Einen „Zweckoptimismus“ halte er für falsch.

Die Kenner sind verwundert, wie frei und ohne wissenschaftliche Einführung Steinbach über die düstere Lage im Nahostkonflikt spricht, die für ihn den Tiefpunkt erreicht hat. Er und die Vertreter aus Israel, Botschafter Avi Primor, und aus Palästina, Jamal Nazzal, liefern sich eine heiße Debatte, der Palästinenser ist nicht ganz so optimistisch wie der Israeli, die Generäle folgen dem Ganzen gespannt.

Am Ende reden die Gäste wieder über die Enkelkinder, und so endete dieser Tag in der Clausewitz-Kaserne.

Birte Staude