Ahoi, ihr weißen Riesen!

Mit einem neun Meter langen Schiff aus Tetra Pak-Papier wird der Künstler Frank Bölter ab Freitag die Elbe stromab fahren. Die Reise beginnt in Lauenburg und ihr erklärtes Ziel ist das Ende der Welt. Auf dem Weg dahin wird Bölter mit seiner Mannschaft für einigen Gesprächsstoff sorgen, denn: Pioniergeist dieser Art provoziert Reaktionen – auch schon, bevor das Schiff abgelegt hat

Frank Bölter: „Wir möchten beweisen, dass die Erde eine Scheibe ist, an deren Rändern es bergab geht“

VON KLAUS IRLER

In der Hitzler Werft in Lauenburg, rund 50 Kilometer östlich von Hamburg an der Elbe, ist man auf eines ganz besonders stolz: den Stahlschiffbau. Bereits 1885 hat man bei Hitzler damit angefangen. 1986 kamen dann unter anderem Müll-Sortiertrommeln und Schleusentore dazu – alle aus Stahl. In der Firmenchronik durchaus herausragend ist nun der Besuch des Kölner Künstlers Frank Bölter, der Ende vergangener Woche zusammen mit sieben Jugendlichen in der Werft auftauchte: Unter den ungläubigen Blicken der Werftarbeiter produzierte die Truppe in nur 90 Minuten ein Schiff. Das Schiff besteht ausschließlich aus Tetra Pak-Papier, ist neun Meter lang und wurde gefaltet nach den Regeln der Origamifaltanleitung für Papierschiffe. Die Nähte wurden mit Hilfe einer Heißluftpistole verschweißt. Das Schiff ist voll schwimmfähig.

Kommenden Donnerstag wird das Schiff auf der Hitzler Werft vom Stapel laufen, musikalisch untermalt von einem Konzert des Lauenburger Shantychores „Die Kielschweine“. Ab Freitag wird das Schiff dann die Elbe abwärts in Richtung Nordsee fahren, und auch das konkrete Ziel steht schon fest: „‚Bis ans Ende der Welt‘ ist der Titel der Reise, und genau da soll es hingehen“, sagt Frank Bölter. Was die Leute von der Werft ebenso wie das Riesenpapierschiff erstaunte. „Am Ende der Welt“, zitiert Bölter den Arbeiter Pavel, „da war ich auch noch nicht.“

Es ist also Pioniergeist gefragt bei dieser Reise, und der treibt den studierten Künstler Bölter schon länger um. Derzeit ist der 37-jährige Stipendiat im Künstlerhaus Lauenburg und sein Projekt „Bis ans Ende der Welt“ hat erstmal drei Komponenten: Erstens, aus zehn mal siebzehn Metern Getränketütenkarton ein Schiff zu bauen; zweitens, damit die Elbe zu befahren und drittens, die Erlebnisse der Reise in dem Internet-Logbuch www.bisansendederwelt.de zu veröffentlichen. Bölter nennt sein Werk ein „Kommunikationsprojekt“, und das bedeutet: Es geht vor allem darum, Leute zum Reden und zum Handeln zu bewegen. Was deshalb funktioniert, weil das Projekt einen größeren Aktionsradius hat und die Menschen, die damit in Berührung kommen, nicht kalt lässt. Es ist ein Projekt, bei dem Geschichten entstehen.

Da war zum Beispiel Bölters Probefahrt im letzten Jahr auf dem Rhein: „Da kam ein DLRG-Boot und fragte: ‚Sind sie verrückt oder Künstler?‘“, berichtet Bölter. „Als sie hörten, dass ich Künstler bin, haben sie mich begleitet. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich gesagt hätte, ich sei verrückt.“

Für die Genehmigung der kommenden Fahrt ging Bölter dann zum Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg – auch so eine Geschichte. „Man redet sich um Kopf und Kragen und irgendwann wird einem dann tatsächlich geglaubt“, sagt Bölter. Das Amt genehmigte unter insgesamt 18 Auflagen, dass das Papierschiff als „Sondertransport“ die Elbe befahren darf. Was gut passt: Das Papierschiff alleine ist sowieso navigationsunfähig und kann sich nur fortbewegen, indem es von anderen Booten geschleppt wird. Was deren Bootsführer wiederum mit ins Gesamtboot holt – und wiederum Kommunikation nach sich zieht. Bölter: „Ich kann keinen Meter vorwärts kommen ohne die Hilfe von Menschen.“

„Das Ganze ist als Abenteuerreise angelegt“, sagt Bölter, tagsüber wird Strecke zurückgelegt, abends wird in den jeweiligen Häfen eine Herberge gesucht und wenn keine gefunden wird, „dann müssen wir bei den Leuten klingeln und fragen“. Enden wird die Reise erklärtermaßen erst dann, wenn Bölter und seine Mannschaft das Ende der Welt gefunden haben. Wie das dann aussieht, könnte durchaus zu einigem Gesprächsstoff führen.

Bölter sagt, er möchte ins Wanken bringen, was über die Wissenschaftler derzeit über das Ende der Welt in Erfahrung gebracht haben wollen. „Es gibt diese Idee, die Sonne würde sich in 12 Millionen Jahren zu einem weißen Riesen aufblähen und die Erde verschlucken. Wir aber möchten beweisen, dass die Erde eine Scheibe ist, an deren Rändern es bergab geht. Wenn uns das gelingt, dann haben wir ein gutes Projekt gehabt.“ Wie lange diese Suche maximal dauern kann? „Das Material fängt nach vier Wochen an, sich aufzulösen“, sagt Bölter. Was ein sehr poetischer Grund wäre, um die Reise zu beenden. Im Schreiben des Wasser- und Schifffahrtsamtes heißt es dagegen: „Die Erlaubnis des Sondertransportes gilt nur für den Zeitraum vom 23. 08. 07 bis 07. 09. 2007.

Außerdem schreiben die Behörden: „Die Fahrt ist zwischen Glückstadt und Wischhafen zu beenden.“ Was nur bedeuten kann, dass die Behörden schon lange wissen: Irgendwo in dieser Ecke liegt das Ende der Welt. Wo genau – darüber lässt sich reden.

Stapellauf ist am Donnerstag, den 23. August um 19 Uhr auf der Hitzler Werft. Voraussichtliche Reisestationen: 24. 8.: Sportboothafen Tespe; 25. 8. Geesthachter Hafen; 26.8. Sportboothafen Winsen; 27. 8. Hafen Oortkaten; 30. 8.: Citysporthafen Hamburg. Die taz nord wird ab Samstag fortlaufend mit Käpt’n Bölter über die Ereignisse auf der Suche nach dem Ende der Welt sprechen.