Mit Kohlendioxid das Klima retten

Heute wird Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) das erste umfassende Klimaschutzprogramm eines deutschen Bundeslandes präsentieren. Der Nachholbedarf im Vergleich zu Europas Öko-Metropolen London und Stockholm ist riesig

Einer der größten Knackpunkte in der norddeutschen Klimapolitik ist der Neubau von Kohlekraftwerken. In Hamburg will der Stromkonzern Vattenfall mit Unterstützung des Senats ein Steinkohlekraftwerk errichten. Dieses würde jährlich etwa sieben Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid ausstoßen und damit die CO2-Emissionen des Stadtstaates Hamburg auf einen Schlag um fast 40 Prozent erhöhen. Damit würden nach Ansicht der Grünen „sämtliche denkbaren Anstrengungen zur Senkung des CO2-Ausstoßes zunichte gemacht“. Der Hamburger Senat will dennoch an diesem Projekt festhalten. Ein ähnliches Vorhaben begrub der Bremer Stromversorger SWB vor zwei Wochen offiziell aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Das Projekt würde „mehrere hundert Millionen Euro“ teurer als ursprünglich gedacht, so die Unternehmensleitung. Diese Entwicklung hatte Anfang Juli ein Energiegutachten für den Zukunftsrat Hamburg bereits prophezeit. Wegen eines Überangebots an Strom werde der Neubau von Kohlekraftwerken, heißt es in der Studie, sehr schnell unrentabel werden.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Unter die Top Ten der Klimastädte Europas zu kommen, sei „alles andere als einfach“, sagt Christian Maaß, Umweltexperte der Hamburger Grünen. Und selbst in den eigenen Landen werden es für Hamburg „bestenfalls für den fünften Platz reichen“ – hinter Freiburg, München, Berlin und Bremen. Heute wird Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) das erste umfassende Klimaschutzprogramm eines deutschen Bundeslandes vorstellen, und er wird seine Absicht bekräftigen, die Elbmetropole zur deutschen „Klimahauptstadt“ zu machen.

„Schön“, sagt Maaß, „immerhin besser als weitere sechs Jahre Untätigkeit.“ Allerdings werde das Konzept des Senats „in klimapolitisch fortschrittlichen Städten“ wenig Eindruck machen, prophezeit er. Vor allem in London, Stockholm oder Wien, den drei nach seiner Meinung ökologischsten Metropolen Europas. Deren Klimaschutzprogramme setzen durchweg auf eine Dezentralisierung der Stromerzeugung durch mehr Blockheizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, auf erneuerbare Energien sowie auf den vorübergehenden Ersatz von Öl und Kohle durch das klimafreundlichere Erdgas, das in den nächsten Jahrzehnten weitgehend durch Biogas ersetzt werden soll.

Beispielhaft nennt der Grüne die Senkung des CO2-Ausstoßes in London um 16 Prozent seit Erhebung einer City-Maut, die nun auch in Stockholm per Volksentscheid eingeführt wurde. In der schwedischen Hauptstadt liegt die jährliche Emission von Kohlendioxid pro Kopf und Jahr bei 4,5 Tonnen, in Wien bei 5,7 Tonnen – in Hamburg bei 10,8 Tonnen. „Da“, sagt Maaß, „zeigt sich der Nachholbedarf.“

In allen Top Ten-Städten, deren Öko-Bilanzen Maaß gestern im Einzelnen vorstellte, sind konkrete Klimaschutzziele bindend vorgeschrieben. So will London den Gesamtausstoß an CO2 bis 2025 durch eine Vielzahl konkreter Maßnahmen um 60 Prozent senken, Wien allein in den nächsten drei Jahren um 22 Prozent, das Schweizer Zürich (Platz 4) bis 2020 um ein Drittel, Deutschlands ökologische Musterstadt Freiburg (Platz 5) um weitere 40 Prozent bis 2030 oder gar Paris (Platz 7) ebenfalls um 40 Prozent schon bis 2020.

Das Konzept des Hamburger Senats jedoch, das heute vorgestellt wird, dürfte so konkret nicht werden. Zumindest enthielt der erste vertrauliche Entwurf, den die taz vor acht Tagen veröffentlichte, keine definierte Zielmarke. Dort wurde auf 82 Seiten lediglich ein bunter Strauß möglicher Maßnahmen ohne Zeit- und Finanzierungsplan aufgelistet.

Angeregt wurden unter anderem vier autofreie Sonntage auf freiwilliger Basis, an denen die Nutzung von Bussen und Bahnen unentgeltlich sein solle. Diese sollen ohnehin häufiger fahren, der Fahrradverkehr gefördert, Radwege ausgebaut, bewachte Radstationen an allen größeren Bahnhöfen sowie Bike & Ride-Plätze an sämtlich U-/S-Bahnhöfen eingerichtet werden. Etliche Ampelkreuzungen sollen durch Kreisverkehre ersetzt sowie „intelligentes Verkehrsmanagement“ eingeführt werden.

Bei der Gebäudesanierung soll nahezu alles gefördert werden, was die Energieeffizienz erhöht und fossile durch erneuerbare Energien ersetzt. Die Dämmungen von Außenwänden und Dächern gehört ebenso dazu wie die Erneuerung von Fenstern. Auch die Installation von Solarzellen, Fotovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerken soll bezuschusst werden. Für neue Häuser und Wohnsiedlungen werden die ökologischen Anforderungen erhöht: Ziel ist letztlich das Niedrigenergiehaus.

Bei der Energie soll der Anteil von Gas und Öl von jetzt etwa 70 Prozent auf unter 50 Prozent gesenkt werden, die Erneuerbaren Energien von zurzeit etwa drei auf 20 Prozent wachsen. Am geplanten Kohlekraftwerk Moorburg hält der Senat ebenso fest wie an der Forderung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Denn das fehlende Drittel, so steht es im Entwurf, müsse weiterhin durch Kohle und Kerne erzeugt werden.

So was, sagt Maaß, stehe in keinem einzigen Klimaprogramm einer europäischen Metropole. „Diese Art von fossilem Denken“, lästert der Grüne, „hat Hamburgs Bürgermeister exklusiv.“

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