Klimaschutz als Volkssport

Hamburg legt ein 170 Maßnahmen umfassendes Klimaschutzprogramm für die nächsten fünf Jahre vor. Schwerpunkt ist höhere Energieeffizienz in Gebäuden, um den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken

Von Sven-Michael Veit

170 Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe: Damit will Hamburg den CO2-Ausstoß bis 2012 um zwei Millionen Tonnen pro Jahr senken. Das wäre eine Minderung um etwa ein Viertel gegenüber 1990 und um gut zehn Prozent gegenüber dem jetzigen Ausstoß. Ein entsprechendes Programm beschloss der CDU-Senat gestern. Es sei zunächst auf fünf Jahre ausgelegt, erklärte Bürgermeister Ole von Beust (CDU), „um rasch und konkret zu handeln“, solle aber fortgeschrieben werden. Für das kommende Jahr würden zunächst 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Mit diesem Programm legt Hamburg als erstes Bundesland einen umfassenden Aktionsplan gegen den Klimawandel vor. Das sei alles „weitgehend plausibel“, lobte Manfred Fischedick vom renommierten Wuppertal Institut für Klima- und Umweltfragen. Fischedick hat das Konzept überprüft und kommt zu dem Schluss, es sei „ehrgeizig und seriös gerechnet“.

Das Bündel von Maßnahmen gegen den Ausstoß umweltschädlicher Treibhausgase sei „so breit gefächert wie kein anderes in Deutschland“, behauptete denn auch Umweltsenator Axel Gedaschko (CDU). Es solle dafür sorgen, dass in Hamburg „der Klimaschutz zum Volkssport wird“. Die Behörden selbst sollen mit gutem Beispiel vorangehen: Bis zum Jahresende will Hamburg den eigenen Stromverbrauch zu 100 Prozent auf Ökostrom umstellen, Dienstreisen klimaneutral gestalten, Dächer von öffentlichen Gebäuden mit Solarkollektoren zieren, bei der Vergabe städtischer Grundstücke auf den Klimaeffekt der Investitionen achten, mehr Radwege bauen und die Wärmedämmung des Wohnungsbestandes verbessern.

Im Zentrum des Konzepts stehen die Energieerzeugung, die Energieeinsparung etwa bei den Haushalten und Gebäuden, der Verkehr und eine umweltpolitische Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Auch auf Bundes- und EU-Ebene will sich Hamburg für den Klimaschutz einsetzen, weil etliche Vorschriften und Gesetze nur dort beschlossen oder geändert werden können.

Hamburg zähle zu den Gewinnern der Globalisierung, sagte von Beust, der auch der Klimaschutzbeauftragte der Bundes-CDU ist. Dies bedinge aber auch eine spezielle Verantwortung. „Das Zweite ist natürlich, dass wir hier in einer gefährdeten Region leben. Wenn die Wasserstände weiter steigen, wenn das Eis schmilzt, kommen wir in eine Situation, wo die Region, in der wir leben, in ein Überlebensszenario gerät.“

Vorgesehen sind auch vier autofreie Sonntage pro Jahr „auf freiwilliger Basis“, der erste soll Ende Januar 2008 sein. An diesen Tagen soll die Nutzung von Bussen und Bahnen im gesamten Hamburger Verkehrsverbund kostenlos sein, also auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Weitere regionale Schritte würden im September auf einem Treffen mit den Landräten der Metropolregion Hamburg besprochen, kündigte Gedaschko an.

Mit der Hamburger Industrie sei vereinbart, dass sie ihre Emissionen an Kohlendioxid bis 2012 um 500.000 Tonnen jährlich verringere. „Die grundsätzliche Zusage ist da“, sagte von Beust, konkretisiert werden sie mit einer Vereinbarung im nächsten Monat.

Gleichzeitig verteidigte er seine Forderung nach längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke. Zugleich gestand er aber ein, dass dies derzeit nicht durchsetzbar sei. „Es gibt einen Konsens für den Ausstieg. Da will auch keiner raus“, räumte von Beust ein. Festhalten aber will der Bürgermeister offensichtlich an dem von Vattenfall geplanten Bau des umstrittenen Kohlekraftwerks in Moorburg. Dieses würde mit etwa sieben Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr die Gesamtemissionen Hamburgs um rund 40 Prozent erhöhen. Zwar sagte er, dass es „keine Genehmigungszusage“ gebe. Eine vollständige Deckung des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen jedoch sei erst auf mittlere Sicht vorstellbar.

Bereits vor der Präsentation des Senatspapiers hatte die SPD-Opposition ein Zwölf-Punkte-Konzept zum Klimaschutz vorgestellt. Spitzenkandidat Michael Naumann warf von Beust dabei mangelnde Glaubwürdigkeit vor. Der CDU-Senat habe jahrelang nichts für den Klimaschutz getan. Nun entwickle er plötzlich aus einem Sammelsurium von Behördenvorlagen ein Umweltschutzprogramm, das zudem in Teilen von der SPD abgeschrieben sei. Vehement sprachen sich Naumann und die Umweltexpertin der Bürgerschaftsfraktion, Monika Schaal, gegen das Kohlekraftwerk in Moorburg aus. Wenn das genehmigt würde, so Schaal, „sind alle Anstrengungen, den CO2-Ausstoß zu senken, gescheitert“.

Manfred Braasch vom Hamburger Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erklärte, bei vielen Themen gebe es noch keine konkrete Lösungen. Er nannte dabei unter anderem die klimaschutzgerechte Sanierung des Altbaubestandes und die Verpflichtung der Industrie, die bislang nur mündlich formuliert worden sei. Der Naturschutzbund vermisst „klar definierte Umsetzungsschritte“. Zudem sei das Konzept „Augenwischerei“, so der Nabu-Vorsitzende Rolf Bonkwald, wenn an Kohle- und Atomkraftwerken festgehalten werde.