Finanzamt bekämpft Militärkritiker

Tübinger Behörde will Friedensaktivisten rückwirkend die Gemeinnützigkeit entziehen. Hohe Nachzahlung droht

TÜBINGEN taz ■ Engagement gegen die Einsätze der Bundeswehr im Ausland soll nach dem Willen des Finanzamtes Tübingen richtig teuer werden. Die Friedensinitiative „Informationsstelle Militarisierung“ soll rückwirkend ab 2001 die Gemeinnützigkeit verlieren.

Seit 1996 hat die Initiative diesen Status, der dazu führt, dass Spenden an den Verein von der Steuer abgesetzt werden können. Mit Hilfe der Spenden haben die Aktivisten etwa Seminare organisiert und Broschüren herausgegeben, in denen sie friedliche Alternativen zur Konfliktlösung propagierten und die „schleichende Militarisierung der Gesellschaft“ kritisierten.

Das Finanzamt führte zunächst an, dass es Zweifel hat, ob der Verein auf dem Boden der Verfassung steht. Konkrete Anhaltspunkte dafür nannte das Finanzamt nicht. Es sieht sich auch nicht an die Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz gebunden, das den Verein in keinem seiner Berichte genannt hat und nach Angaben eines Sprechers auch keine Informationen über den Verein an andere Behörden weitergegeben hat.

„Die Finanzämter prüfen eben eigenständig, ob ein Verein verfassungswidrig ist“, sagt Lothar Knaus, Sprecher von Landesfinanzminister Gerhard Stratthaus (CDU). „Nur weil ein Verein nicht im Verfassungsschutzbericht steht, hören wir noch lange nicht das Prüfen auf.“

Inzwischen hat das Amt unvermittelt die Begründung gewechselt. Wie der zuständige Sachbearbeiter dem Verein schrieb, habe er die Webseite des Vereins besucht und dabei den Eindruck gewonnen, „dass die Tätigkeit der IMI sich fast ausschließlich in politischen Aktivitäten erschöpft“. Das sei nicht von den Gemeinnützigkeitsregeln der Abgabenordnung gedeckt.

Die Abgabenordnung führt eine Reihe von gemeinnützigen Zielen auf. Dazu gehört zum Beispiel die Förderung „der Kleingärtnerei, des traditionellen Brauchtums einschließlich des Karnevals, der Fastnacht und des Faschings, der Soldaten- und Reservistenbetreuung, des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports“. Politische Meinungsbildung dagegen zähle jedoch nicht dazu, schreibt das Finanzamt: „Gemeinnützigkeitsschädlich ist bereits die politische Tätigkeit als solche.“

Die Vorstandsmitglieder, die die Gelder für nicht gemeinnützige Zwecke ausgegeben hätten, müssten „für die dadurch entgangene Steuer, die mit 40 Prozent angesetzt wird, haften“. Das wären mehrere zehntausend Euro.

Der Mitbegründer der Initiative, Tobias Pflüger, der heute für die Linke im Europaparlament sitzt, vermutet eine politische Absicht: „Wir haben uns kritisch zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr in Afghanistan und Kosovo geäußert und sind dabei wohl zu unbequem geworden.“

Pflüger war bis Mitte der Neunzigerjahre noch Mitglied bei den Grünen, was er heute als „Jugendsünde“ bezeichnet. Mit dem Tübinger Bundestagsabgeordneten der Grünen, Winfried Hermann, hat er sich während des Kosovokrieges auf Podiumsdiskussionen gestritten. Doch jetzt bekommt Pflüger Unterstützung von Hermann. Er finde es „unangemessen, dass Finanzbeamte für die Entscheidung zuständig sein sollen, welche antimilitaristische Arbeit noch gemeinnützig ist und welche nicht“, sagte Hermann der taz.

SEBASTIAN HEISER

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