Russlands Militär greift nach den Sternen

Moskau plant eine umfassende Modernisierung der Streitkräfte. Diese bekommen neue Waffen und neue Einsatzgebiete. Auch an einem kosmischen Forschungsprogramm wird gearbeitet. Damit demonstriert der Kreml sein neues Selbstbewusstsein

AUS MOSKAU DAVID NAUER

„Russland hat nur zwei Verbündete: seine Armee und seine Flotte.“ Das Bonmot stammt nicht von Präsident Wladimir Putin, sondern von Zar Alexander III. (1881–1894). Dennoch scheint es aktueller denn je zu sein, zumindest in den Köpfen der Entscheidungsträger im Kreml.

Die russischen Militärs profitieren davon und spüren einen kräftigen Aufwind. Vergessen sind die Zeiten, als die Armee nur durch Fälle von brutaler Soldatenschinderei Schlagzeilen machte. Jetzt häufen sich die Siegesmeldungen. Seit vergangener Woche fliegen Moskaus strategische Langstreckenbomber wieder voll bewaffnet um die ganze Welt. Mal kommen sie dem britischen Luftraum gefährlich nahe, dann statten sie dem US-Marinestützpunkt Guam im Pazifik einen Besuch ab. Auch die Flotte träumt von den alten Tagen. Die russische Marine will ihre Präsenz im Mittelmeer wieder aufnehmen, wie der Chef der Schwarzmeerflotte erklärte.

Das Ausland nimmt es vorerst gelassen. „Wenn Russland sich danach fühlt, die alten Flieger aus der Mottenkiste hervorzuholen, ist das seine eigene Entscheidung“, kommentierte ein Sprecher des US-Außenministeriums die Wiederaufnahme der russischen Bomberpatrouillen.

Das Lachen könnte den Herren in Washington bald vergehen. Moskau plant eine umfassende Erneuerung seiner Streitkräfte, und dank den üppig sprudelnden Petrodollars hat es auch die Mittel dazu. Die Militärausgaben sind 2007 auf 30 Milliarden Dollar gestiegen, wie die Presseagentur Ria Nowosti berichtete. Das sind 6 Milliarden Dollar mehr als 2006. Ein großer Teil davon soll in die Entwicklung neuer Technologien investiert werden.

Geplant ist die Modernisierung des ganzen Flugzeug- und Helikopterparks der Luftwaffe bis 2020. Dazu gibt es jede Menge neuer Kampfflugzeuge. Allein der Hersteller Suchoj liefert in den kommenden Monaten 30 Jets. Für die Marine gibt es neue Atom-U-Boote, Artillerieschiffe und mittelfristig zusätzliche Flugzeugträger. Schon bald anlaufen soll auch die Serienproduktion der neu entwickelten Interkontinentalrakete „Bulawa M“.

Zudem haben die Russen offenbar vor, ein Wettrüsten im All anzuzetteln. Die „Kosmischen Streitkräfte“ Russlands arbeiten an einem geheimen Forschungsprogramm, wie der Oberkommandierende Wladimir Popowkin Mitte dieser Woche erklärte. In zwei Jahren sollen die ersten Tests einer ganzen Reihe „neuer Apparate“ beginnen, sagte er. Als Perspektive sei es sogar denkbar, dass Russland bemannte Raumschiffe für militärische Zwecke einsetzen könnte.

Die russische Militäroffensive richtet sich sowohl nach außen als auch nach innen. Mit Bombern über dem Pazifik, neuen Kampfjets und Interkontinentalraketen unterstreicht der Kreml seinen Anspruch auf eine globale Rolle – und sendet klare Signale nach Westen. Gleichzeitig bedient die Kraftmeierei die ewige russische Sehnsucht nach dem Imperium. Gerade vor dem anstehenden Machtwechsel im Kreml – Putin muss im März 2008 den Präsidentensessel räumen – ist es wichtig, die Wählerschaft bei der Stange zu halten.

Der russische Militärexperte Alexander Golts verbindet sogar die beiden Elemente. Die russische Elite fürchte sich vor einer Einmischung des Westens bei den Präsidentenwahlen, schreibt Golts in der Moscow Times. Sie spiele die Karte des Kalten Krieges, um jede Kritik am Kreml als Machenschaften ausländischer Mächte darzustellen. Die Taktik birgt Gefahren. Zwar habe die antiwestliche Kampagne momentan noch Züge einer Farce, so Golts. „Doch die Frage ist, ob sie nicht doch noch zu einem wirklichen Drama wird.“