Streit über Scheinhinrichtung dauert an

Union verteidigt mangelhafte Information. Vorfall war als „nicht gravierend“ eingestuft worden

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die politische Kontroverse um die Scheinhinrichtung eines jungen Mannes in der JVA Wiesbaden durch Mitgefangene geht weiter. Nachdem die Union mit ihrer absoluten Mehrheit eine von den Oppositionsparteien geforderte Stellungnahme von Justizminister Jürgen Banzer (CDU) zu dem Vorfall vom 24. Juli am Mittwochmittag im Rechtsausschuss noch verhindert hatte, erstattete der Minister dann am späten Nachmittag vor dem Unterausschuss Justiz zwar Bericht. Doch SPD und Grüne warfen dem Minister gestern weiter vor, sich nicht genügend um seine Pflichten zu kümmern und sein Ministerium „nicht im Griff zu haben. Banzer hatte im Ausschuss von einem „schlimmen Szenario“ gesprochen. Die 18 und 20 Jahre alten Täter hätten einen Mithäftling geknebelt, gefesselt und ihm dann eine Schlinge um den Hals gelegt. Der Strick war der Zugbund eines Anstaltstrainingsanzugs und wurde provisorisch am Fenstergitter der Zelle befestigt – und das Opfer dann auf einen Tisch gestellt. „Der Untersuchungsgefangene hatte in diesem Moment Todesangst“, sagte nach der Sitzung die Anstaltsleiterin. Die jungen Männer hätten dann „von selbst“ damit aufgehört, ihren Mitgefangenen weiter zu quälen. Justizvollzugsbeamte jedenfalls bekamen von dem Vorfall nichts mit.

Die Scheinhinrichtung war von der zur Dokumentation solcher Ereignisse verpflichteten Anstaltsleitung zunächst als „nicht gravierend“ eingestuft und deshalb auch nicht sofort dem Ministerium gemeldet worden, sondern erst am 31. Juli. Minister Banzer allerdings musste vor dem Ausschuss einräumen, erst an diesem Mittwoch von den Misshandlungen erfahren zu haben. Für SPD und Grüne ein „Organisations- und Informationsversagen“. Aus der Unionsfraktion war dagegen zu hören, dass es in Haftanstalten immer wieder zu Rangeleien und Schlägereien komme. Dort säßen halt „keine Betschwestern“ ein, sagte ein Mitarbeiter der Landtagsfraktion in Wiesbaden der taz.

Verärgert ist man allerdings auch bei der Union darüber, dass gerade dieser Vorfall mit der Scheinhinrichtung von der Leitung der JVA Wiesbaden offenbar „falsch eingestuft“ worden sei. Schließlich sei in der JVA Siegburg erst im November 2006 ein Häftling von Mitgefangenen zu Tode gefoltert worden. Die SPD sprach von einem „schweren Versäumnis“ und mutmaßt, dass die Anstaltsleitung die Gefangenenmisshandlung „unter den Teppich“ habe kehren wollen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT