Hamburger SPD auf Gegenkurs

PARTEITAG Sozialdemokraten pinkeln ihrem Parteichef Gabriel ans Bein und wollen auch die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ auskontern

■ Gastauftritt: Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, Martin Schulz, warnte auf dem SPD-Parteitag vor einer Wiedereinführung der D-Mark: Das würde „einen massiven Einbruch bei deutschen Exporten nach sich ziehen“.

■ Rechtfertigung: Sozialsenator Detlef Scheele nutzte den SPD-Parteitag für seine Arbeitsmarktpolitik zu werben. An den Kürzungen für aktive Arbeitsmarktprogramme sei die schwarz-gelbe Koalition im Bund schuld.

Die steife Brise, die SPD-Parteichef Siegmar Gabriel derzeit ins Gesicht weht – sie kommt aus Hamburg. Am Samstag lehnten die rund 300 Deligierten des SPD-Landesparteitags die von Gabriel und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ins Gespräch gebrachte Reform der Parteistrukturen in Bausch und Bogen ab. Mit großer Mehrheit sprachen sich die Versammelten gegen weitgehende inhaltliche und personelle Mitsprachemöglichkeiten von Nichtmitgliedern aus.

So soll der SPD-Kanzlerkandidat nach Willen der Hamburger Sozialdemokraten weiterhin nur durch die Partei bestimmt werden. Auch neue Quoten bei der Besetzung von Gremien, etwa für MigrantInnen, seien „nicht praktikabel und unnötig“, hieß es in einem Beschluss. Nahles hatte vorgeschlagen, die Zahl der Migrantinnen in Führungsämtern der Partei deutlich zu erhöhen und eine Mindestquote von 15 Prozent festzulegen.

Entschieden wird über die umstrittene Parteireform auf einem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember in Berlin, bei der Olaf Scholz erneut als Stellvertreter von Parteichef Sigmar Gabriel antreten wird. Ein entsprechendes Votum für die Kandidatur erhielt Scholz auf dem Landesparteitag.

Auf Gegenkurs bleiben Scholz und die Hamburger SPD auch zum Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Energienetze. Während die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ die Netze ganz zurückkaufen will, hält Scholz an einer „strategischen“ Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent durch die Hansestadt fest. Ein vom SPD-Kreisverband Eimsbüttel eingebrachter Antrag, beide Optionen noch einmal ergebnisoffen zu prüfen, lehnte der Parteitag ebenfalls mit großer Mehrheit ab.

Scholz bezifferte die Mehrausgaben für eine vollständige Netzübernahme durch die Stadt auf „rund eine Milliarde Euro“ und stellte in Aussicht, zeitnah das Ergebnis seiner Verhandlungen über die Minderheitsbeteiligung der Öffentlichkeit zu präsentieren. „Dann können die Hamburgerinnen und Hamburger entscheiden, ob sie das Verhandlungsergebnis annehmen oder dasselbe für erhebliche Mehrausgaben bekommen wollen“, zeigte sich der Erste Bürgermeister in der Auseinandersetzung über einen bevorstehenden Volksentscheid siegesgewiss, versprach aber, das Ergebnis eines solchen Entscheides umzusetzen. MARCO CARINI