Der Traum von Indien

Die Stadt Chandigarh im Norden Indiens ist ein Symbol. Auch für die Teilung des Subkontinents. Denn es waren zwei Länder, die vor sechzig Jahren im August 1947 von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen wurden. Bei der neuen Grenzziehung zwischen Indien und Pakistan wurde auch der Punjab geteilt, und damit lag seine historische Hauptstadt Lahore in Pakistan. Deshalb beschloss man in Indien die Errichtung eines neuen Regierungssitzes vom Reißbrett weg: Chandigarh.

Ein Hoffnungsträger für ein modernes Indien sollte es sein: „Auf dass diese Stadt eine neue Stadt werde, Symbol der Freiheit Indiens, ohne Fesseln durch Tradition aus der Vergangenheit, ein Ausdruck des Glaubens der Nation an die Zukunft …“, sagte Jawaharlal Nehru, erster Ministerpräsident Indiens, bei einem Besuch des Bauprojekts. Betraut mit der Planung und Bauleitung der neuen Stadt wurde 1951 Le Corbusier. Für den Architekten, einen der prominentesten Verfechter der Baumoderne im 20. Jahrhundert, war Chandigarh die Erfüllung eines lebenslang gehegten Traums: die Planung einer komplett neuen Stadt. Dabei sollten natürlich sämtliche Kriterien einer funktionalen Stadt erfüllt sein, wie sie bereits 1933 bei einem internationalen Kongress für neues Bauen in der sogenannten Charta von Athen niedergeschrieben wurden. Verfasst wurden diese Vorstellungen für eine ideale Stadt der Zukunft unter Federführung von Le Corbusier.

Mit Chandigarh sollten die Forderungen endlich nicht nur Papier bleiben. So blieb Le Corbusier seinem Lieblingsprojekt bis zu seinem Lebensende – er starb am 27. August 1965 – eng verbunden. Geplant war die Stadt für fünfhunderttausend Menschen. Heute wohnen mehr als eine Million in Chandigarh. Wie aber lebt es sich in einer idealen Stadt? In Indien? Wie antwortet die Wirklichkeit auf die Ansprüche Corbusiers? Eine funktionalistische Fotoromanza: