Zucht und Ordnung an der VHS

Solange im Senat „harmlose, anständige Wessis“ sitzen, ist Hamburgs Zukunft in guten Händen. Meint Roger Kusch und bietet sich als Besitzer ebensolcher an. Ein Besuch in der VHS Othmarschen

„Ach so, nee, wir sind hier nur der Spanischkurs, der Kusch ist ums Eck. Aber da bist du garantiert die Einzige“

von JESSICA RICCÒ

„Die drei politischen Todsünden für die Zukunft Hamburgs“ will Roger Kusch erläutern, in der Volkshochschule Othmarschen, dort, wo auch Erwachsene noch was lernen können. Vor dem Haupteingang wartet bereits ein Grüppchen bestens gelaunter Mittdreißiger, Typ Selbstgedrehte-Raucher, in Jeans und T-Shirt. Hier ist doch was oberfaul. „Buenas tardes!“, grüßen sie. „Ach so, nee, wir sind hier nur der Spanischkurs, der Kusch ist ums Eck. Aber da bist du garantiert die Einzige.“

Um sich vor linken, krawallmachenden Störenfrieden zu schützen, erbittet Kuschs „Rechte Mitte HeimatHamburg“-Partei eine Personalausweiskontrolle. Demütigend ist daran, dass sie sich von den selbst dazubestellten Polizisten erklären lassen muss, dass das gar nicht rechtens ist – die paar Zuhörer lassen sich aber sowieso an einer Hand abzählen.

Roger Kuschs Publikum ist weit jenseits der Sechzig. Ein marzipanschweinförmiges Ehepaar, das sich schnaufend auf die Holzhocker fallen lässt, ein paar gepflegte Omas, deren Erscheinungsbild einfach nur preußisch ist, eine Handvoll älterer Herren, die sich im Verlauf des Abends noch löblich über den Kaiser äußern werden.

Roger Kusch erzählt, was dieses Publikum hören will: Wie seine Partei „Rechte Mitte HeimatHamburg“ sich selbstverständlich das autofreundliche Hamburg auf die Fahnen geschrieben hat. (Draußen parken ein Audi A8, zwei Passat Coupé, ein Passat, zwei Mercedes und drei Peterwagen.) Dass es ein Unding sei, wie deutsche Ärzte durch polnische Kollegen ersetzt würden und stattdessen nun als Politessen arbeiten müssten. Dass die Gesundheitsreform purer Sozialismus sei und das Antidiskriminierungsgesetz vollkommen überbewertet.

Zugegeben, als ehemaliger Justizsenator braucht Roger Kusch sich vermutlich keine Gedanken darum machen, aufgrund seiner sexuellen Orientierung abgelehnt zu werden. „Nehmen wir an, ein Schreinermeister arbeitet mit zwei griechischen Schreinergesellen und möchte nun einen dritten einstellen“, erklärt er seine Kritik am Gesetz. „Seine Gesellen weigern sich, mit dem türkischen Schreiner zusammenzuarbeiten, der sich um die Stelle bewirbt.“ Immer diese ausländerfeindlichen Ausländer, wird zustimmend „Ja, ja“ gemurmelt.

Überhaupt mischen sich Kuschs Zuhörer gerne in seine Ausführungen ein: Sobald Namen und Begriffe wie „von Beust“, „GAL“ oder „Schanze“ fallen, tönt es aus dem Publikum gut hörbar „Ha!“. Das einerseits, um mit feinsinnigem Humor auszudrücken, wie die Damen und Herren sich auch im Alter blendend mit Politik auskennen, andererseits um Kuschs Vertrauen zu gewinnen – nicht er erklärt hier seine Ideen, es ist die alte Garde, die Jungspund Kusch heute von der Pieke auf erklärt, wie Politik zu funktionieren hat.

Mit seinen Top-Todsünden „Die Linke“, „Rot-Rot-Grün“ und „Schwarz-Grün“ wickelt Kusch zwar locker die gut situierten Wähler um den Finger, aber es ist ein Jammer, welche Polemik der Mann aufbietet für ein paar Unterschriften. „Gegen die Roten!“ heißt es im parteieigenen Slogan und über sie ereifert sich der ehemalige Justizsenator, als es um die potenzielle Neubesetzung des Postens geht: „Wer garantiert Ihnen, dass die Linke keine Juristen aus Magdeburg importiert? Das sind ja nicht alles anständige, harmlose Wessis. Nachher haben wir dann hier Mauer und Schießbefehl!“

Warum ausgerechnet „Zucht und Ordnung“ seit ein paar Wochen auf den Plakaten der HeimatHamburg prangen, das kann Kusch natürlich ganz plausibel erklären: Die Begrifflichkeiten stammen ja eigentlich aus der Bibel, hätten also mit der unschönen Phase deutscher Geschichte nichts am Hut, und „überhaupt,“ fügt er neckisch hinzu „ist ein bisschen Provokation ja immer gut“.

Ob die „Rechte Mitte HeimatHamburg“ mit der Veranstaltung tatsächlich neue Mitglieder anwerben konnte, ist anzuzweifeln. Schenkt man der Fotogalerie der parteieigenen Homepage jedoch Glauben, waren es ohnehin nur Bezirksbeauftragte und Parteivorsitzende, die sich in der Volkshochschule tummelten.