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LESERINNENBRIEFE

Happy End für den Großvater

■ betr.: „Nach Haus telefonieren“ von Sabrina Künz, taz vom 2. 1. 15

Kennen Sie die Geschichte vom Großvater, der zitternd seinen Brei verschüttet? Er wird in die Ecke verbannt und muss aus einem Holztröglein essen. Das Kind sorgt vor und schnitzt für seine Eltern ein ebensolches Gefäß für deren Alter, wenn es selbst im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Die Geschichte kam mir spontan in den Sinn, als ich las, wie Sabrina Künz ihre skypenden Eltern beschreibt.

Bestimmt sitzt irgendwo schon jemand (ob eigener oder anderer Leute Nachwuchs), der ein digitales Tröglein fertigt, mit dem die Autorin sich dann ähnlich gebärdet – und der Mensch auf der anderen Seite denkt, hoffentlich nie wieder… Vielleicht gibt es auch jetzt schon etwas, bei dem andere eine bessere Figur machen als Ihre Autorin? Für den Großvater gab es übrigens ein Happy End: Er durfte wieder an den Tisch.

Etwas ratlos über die Denke und die Publikation:

PETRA GROSSE-STOLTENBERG, Hattingen

Geld für die Menschen

■ betr.: „Das ist eine Scheißdebatte“, Interview mit Manuel Sarrazin, taz vom 5. 1. 15

„Dazu gehören für uns aber nicht nur Wirtschaftsreformen und Sparmaßnahmen, sondern vor allem auch der Kampf gegen Korruption und die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit im Land“, sagt Manuel Sarrazin. Ich frage mich als Grüner, ob er denn vergessen hat, dass es auch um ein funktionierendes Gesundheits- und Sozialsystem geht? Psychische Krankheiten sind seit den von der Troika verordneten Maßnahmen enorm gestiegen: Die Prävalenz von Major-Depressionen erhöhte sich ebenso wie die Zahl der Suizide. Auch Kinder- und Neugeborenensterblichkeit stieg an. Ein Grund dafür, der fehlende Zugang zu Schwangerenvorsorgemaßnahmen. Für all das findet Manuel Sarrazin kein Wort. Zumindest nicht in diesem Interview. Man schämt sich so als Grüner.

In Griechenland wurden die Banken gerettet. Es wird Zeit, dass endlich etwas für die Menschen getan wird. Das kostet Geld? Nun, die Troika-Repression kostet offensichtlich Leben. Was ist wichtiger? JÖRG RUPP, Malsch

Wer bezahlt die Staatsanleihen?

■ betr.. „Euro fällt auf Tiefstand nach Draghi-Interview“, taz vom 3. 1.15

Das kurze Interview mit Herrn Draghi zeigt gut wie krank unser Wirtschaftssystem ist und wes Geistes Kind er ist. Kaum gibt es eine Entwicklung die zum Vorteil „der Leute“ werden könnte, wird gegengesteuert, weil das nicht gut für „die Wirtschaft“ ist. Wer oder was ist eigentlich „die Wirtschaft“? Wer bezahlt den Kauf der Staatsanleihen? Ich ahne es schon. Herr Draghi ist ein Ar…ch. Weitersagen. MANFRED STENGEL, Hamburg

Versuchen zu verstehen

■ betr.: „Der Westen ist nicht bedroht“, taz vom 31. 12. 14

Charlotte Wiedemann schreibt zu Recht, dass es schwer ist, aus westlicher Perspektive die Aggressionen, Verwerfungen und Neubildungen in den islamisch geprägten Ländern in ein empirisch angemessenes Erklärungsmuster zu übersetzen. Die zusammenwachsende Welt innerhalb der nationalen Grenzen und zwischen den Staaten verlangt aber genau das: Wir müssen versuchen zu verstehen, was in diesen Ländern geschieht, und „der Westen“ wird sich in seinem politischen Verhalten immer auch normativen Entscheidungen stellen müssen. Was ist also daran verkehrt, das IS-Gebilde mit Begriffen wie Faschismus oder besser Totalitarismus in einen referenziellen Rahmen zu stellen, der aus dem „westlichen“ kulturellen und geschichtlichen Rahmen erwachsen ist?

Genauso verhängnisvoll ist es, sich einer moralischen Wertung von Zuständen in den islamischen Ländern zu entziehen, also Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Zensur, Autokratie oder anderes nicht anzuklagen, wann immer sie anfallen. Das hat mit Ablenkung des Westens von eigenen „verhassten Teilen“, wie es die Verfasserin nennt, nichts gemein; auch muss das nicht notwendig der Aufrechterhaltung eines antiwestlichen Feindbilds dienen. Ideen oder Ideale sind, wenn sie einmal als solche wahrgenommen werden, für immer flüchtig und Allgemeingut aller, die davon „erregt“ werden. So werden die alten Klassiker der westlichen Zivilisation wie Demokratie, Republik, bürgerliche Freiheiten und Liberalismus nicht etwa in ihrer Bedeutung durch das Entstehen der multipolaren Welt eingegrenzt; im Gegenteil, sie erfahren eine größere Verbreitung und Aktualität besonders dort, wo sie, wie zuletzt zum Beispiel in der Demokratiebewegung in Hongkong, einen, normativ gesprochen, fortschrittlichen politischen Impuls legitimieren.

Darum sind diese Werte auch längst nicht mehr „westlich“ und stehen auch nicht im Gegensatz zu etwa einer islamischen Gesellschaft. Es sind universelle Orientierungsgrößen, immer denen zu eigen, die ihre politische Standortbestimmung darauf beziehen, sei es bloß taktisch oder eben substanziell, und dies vollzieht sich in islamisch geprägten Ländern ebenso wie in anderen Regionen auch. Wir sind also in Wahrheit ganz weit weg von dem in dem Artikel postulierten „dichotomen Weltbild“, gerade wenn wir uns auf auch sogenannte westliche Werte beziehen und global solidarisch handeln.

UWE MIGENDA, Hamburg

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