Der Favorit im Familienduell

Es war ein Auftritt, den er sich so nicht wünschen konnte. Statt vor fahnenschwenkenden Anhängern seiner Nea Dimokratia (ND) den nötigen Optimismus für die vorgezogenen Neuwahlen zu verbreiten, musste er Samstag auf dem Fernsehschirm vor die Nation treten. Staatsmännisch, aber hemdsärmelig appellierte Kostas Karamanlis an das Volk, gemeinsam die „nationale Tragödie“ zu bewältigen.

Ob der Auftritt ihm seinen Job als Regierungschef für weitere vier Jahre sichert, wird sich am 16. September zeigen. Bis vorige Woche galt Karamanlis gegenüber seinem Rivalen Giorgos Papandreou, der für die linke Pasok antritt, noch als Favorit. Die Namen Papandreou und Karamanlis stehen für das Familienduell, das alle paar Jahre auf der Bühne der griechischen Politik gegeben wird. Doch während Giorgos als Sohn von Parteigründer Andreas Papandrou auftreten kann, ist Kostas nur der Neffe des Konstantinos Karamanlis, des bedeutendsten konservativen Politikers der Nachkriegszeit.

Als Neffe Kostas 1997 zum Parteichef der ND gewählt wurde, stimmten viele Delegierte nur für den berühmten Namen. Auch deshalb wurde der studierte Jurist, der in den USA noch einen Doktor in Politologie machte, lange unterschätzt. Die knappe Niederlage im Wahlkampf 2000 gegen den Pasok-Ministerpräsidenten Kostas Simitis war ein erster Achtungserfolg. Als er im März 2004 die ND zum Sieg führte, war er der jüngste Regierungschef der neueren griechischen Geschichte.

Böse Zungen verwiesen damals auf die clevere Familienplanung. Der Neffe des großen Karamanlis fand nicht nur eine blonde Ehefrau, die man aus gewisser Entfernung mit Lady Di verwechseln mochte. Wenige Monate vor den Wahlen schenkten beide dem gerührten Volk ein Zwillingspärchen. Die Familie macht sich im Fernsehen besonders gut, wenn sie zu Weihnachten und Ostern im Kerzenschein die Kirche besucht.

Aber Karamanlis ist keine bloße PR-Kreation, so wenig wie Ehefrau Natascha, die als Kinderärztin praktiziert. Er gilt zwar als etwas arbeitsscheu, ist aber zweifellos ein politisches Naturtalent, dessen joviale Art nicht nur bei den ND-Wählern ankommt. Seine Popularitätswerte liegen weit höher als die seiner Partei und auch als die seines Rivalen Papandreou.

Mit Blick auf den 16. September hat er dennoch ein Problem. Nachdem er die vorgezogenen Wahlen mit der falschen Behauptung begründete, dass eine wichtige „nationale Frage“ vorliege, wurde ihm die echte Begründung nachgeliefert. Doch angesichts der „nationalen Tragödie“ eines brennenden Landes würde er die Wahlen gewiss gern auf die lange Bank schieben. NIELS KADRITZKE