Pegida scheitert in der dunklen Domstadt

PROTEST 18.000 Pegida-Fans in Dresden. In Köln übertrifft die Zahl der Gegner die einiger Rechter bei Weitem

■ Mehrere Zehntausend Menschen haben am Montag bundesweit gegen die Pegida-Aufmärsche protestiert.

■ In Berlin kamen rund 6.000 Personen bei zwei Demonstrationen zusammen, darunter befanden sich auch Justizminister Heiko Maas (SPD) und die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Dagegen trafen sich nur 300 Menschen bei einer „Bärgida“-Aktion. Der Senat ließ aus Protest die Beleuchtung des Brandenburger Tors ausschalten.

■ Ganz ohne Pegida-Protestler versammelten sich in Stuttgart 8.000 Menschen gegen Rassismus. In Münster protestierten sogar 10.000 Menschen. In Würzburg und München waren es jeweils rund 1.500. In Rostock kamen rund 800 Menschen unter dem Motto „Willkommen im Abendland. Rostock für alle!“ zusammen. In Hamburg wählten bis zu 5.000 Demonstranten die Losung „Tolerante Europäer gegen die Idiotisierung des Abendlands“ („Tegida“). (taz, dpa)

VON MICHAEL BARTSCH
UND ANJA KRÜGER

DRESDEN/KÖLN taz | Die Pegida-Bilder in Dresden ähneln sich seit Wochen – und ändern sich doch. Verglichen mit den ersten „Abendspaziergängen“ ist die Stimmung an diesem Montag deutlich aggressiver. Zugleich schotten sich die etwa 18.000 Demonstranten – ein neuer Rekord – zunehmend ab. Journalisten erhalten keine Antworten. „Lügenpresse“ wird am häufigsten gerufen, eher sporadisch hört man „Wir sind das Volk“. Pegida versammelt sich ausgerechnet auf der „Cockerwiese“, wo ein legendäres Konzert von Joe Cocker 1988 DDR-Fans ein spätes Woodstock bescherte.

Hauptrednerin Kathrin Oertel warnt, dass die Proteste in Wut umschlagen könnten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird für ihre Pegida-Kritik anhaltend ausgebuht. Als Oertel Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) für einen der nächsten Montage an das Mikrofon einlädt, erntet sie nur abfälliges Gemurmel und Zurufe wie „Dem flattern doch jetzt schon die Hosen“. Die große Mehrheit erscheint dialogunfähig.

Dann hetzt der ehemalige FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte auf wohldosierte Weise gegen den Islam, der ganz Deutschland unterwandere. An diesem Abend häufen sich Reden und Plakate gegen eine „Fremdherrschaft der USA“, deren imperialer Politik man die Hauptschuld an den Weltkonflikten und den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen gibt. Immer häufiger sind russische Fahnen zu sehen. „Staatenlose“ sind dabei mit einem Plakat „Deutschland ist nicht die BRD“. Sogenannte Identitäre, die eine Zerstörung der nationalen Identität fürchten, stürmen das Foyer des Landtags.

Ein bescheidener Ansatz eines Dialogs glückt dennoch. Eine Handvoll Pegida-Sympathisanten nutzt das Angebot des Bündnisses „Dresden für alle“, sich zu äußern. Erfahrungen mit kriminellen Ausländern, Sorgen um die weltpolitische Entwicklung oder Ängste vor Islamisierung kommen zur Sprache. Es antwortet Integrationsministerin Petra Köpping (SPD).

Große Resonanz findet schließlich eine von Musikern und Künstlern geplante fröhliche Aktion. Bis zu 5.000 überwiegend junge Pegida-Gegner in Warnwesten ziehen mit Besen, Schrubbern, Klobürsten und Müllsäcken auf die Cockerwiese, um diese nach dem Pegida-Abzug symbolisch zu reinigen.

„Ich habe nichts gegen Ausländer. Man möchte doch nur deutsch sein dürfen“ „Ich kenne den Islam. Die sind anders als wir. Aber das schreibt ja keiner“

ERKLÄRUNGSVERSUCHE AUF DER KÖLNER KÖGIDA-DEMONSTRATION
„Kartoffeln statt Döner“

Ganz anders ist die Lage in Köln. „Kögida“-Veranstalter Sebastian Nobilé, ein ehemaliger Aktivist der rechtsextremistischen „German Defense League“, hatte 500 Teilnehmer angemeldet. Vielleicht etwas mehr als die Hälfte sind auf den Bahnhofsvorplatz in Köln-Deutz gekommen. Darunter sind Funktionäre von NPD und der extrem rechten Wählervereinigung „Pro Köln“. Einige haben Deutschlandfahnen oder beschriftete Pappen mitgebracht. „Kartoffeln statt Döner“ oder „Denkt an unsere Kinder“ steht darauf.

Anders als in Dresden reden etliche Teilnehmer bereitwillig mit der Presse. „Wir sind keine Nazis, ich möchte nur keine Moschee um mich herum haben“, sagt eine ältere Dame, die mit ihrer Schwester gekommen ist. Das will auch die Schwester nicht. „Ich habe nichts gegen Ausländer“, sagt sie. „Man möchte doch nur deutsch sein dürfen.“ Deshalb seien sie gegen die „Islamisierung“, sagen sie.

Die beiden ärgern sich sehr über Angela Merkel. Ihre Abrechnung mit Pegida in der Neujahrsansprache habe sie tief getroffen. „Ich fühle mich diskriminiert“, sagt ein Mann. Der Herr mit dem Schild „Lügen-Komplott – Politik – Presse“ nickt. Er kennt den Islam, sagt er. „Die sind anders als wir“, sagt er. „Aber das schreibt ja keiner.“ Immer wieder versuchen die Veranstalter „Wir sind das Volk“-Sprechchöre in Gang zu bringen.

■ Politiker, Religionsvertreter, Sportler, Künstler und andere Prominente haben sich mit Blick auf die Pegida-Bewegung in einem gemeinsamen Appell in der Bild gegen Rassismus und Intoleranz ausgesprochen. Exbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) erklärte: „Deutschland muss weltoffen und tolerant bleiben. Darum ein deutliches Nein zu Pegida!“ Gerhard Schröder (SPD) forderte eine Neuauflage des „Aufstands der Anständigen“, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: „Deutschland braucht Zuwanderer. Und wir müssen ein Herz haben für Flüchtlinge in Not.“

■ Kölns Erzbischof Rainer Maria Woelki sagte: „Solche ‚Retter des Abendlandes‘ brauchen wir nicht.“ Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, sagte: Pegida schürt Angst und Hass. Echte freiheitlich-demokratische Patrioten dürfen rechten Hetzern keinen Platz lassen.“

■ Autor Ulrich Wickert nannte Pegida „mittelalterlich“. Die Entertainerin Hella von Sinnen erklärte: „Ich habe meinen Arsch aufgerafft, um auf die Gegendemo zu latschen.“ Volksmusiksänger Heino nannte es „schon eine Frage des Anstands“, die Pegida-Bewegung abzulehnen, und Schauspieler Wolfgang Stumpf sagte: „Auch Dresden lebt von Weltoffenheit.“ (taz)

Weitaus stimmgewaltiger aber sind die „Nazis raus!“-Rufe von der anderen Seite des Platzes. „Ihr seid eine Schande für unser Land“ steht auf dem Transparent, das Kathrin Bielefeld mit einem Mitstreiter den „Kögida-Anhängern“ entgegenhält. „Ich war viel im Ausland, ich bin immer freundlich empfangen worden“, sagt Bielefeld. Sie möchte, dass auch Deutschland weltoffen ist. Ina Dietrich fürchtet, dass die Islamfeinde viel mehr SympathisantInnen haben, als sich zu der Veranstaltung wagen. „Wir müssen ein Zeichen setzen“, sagt sie.

Nach Polizeischätzungen sind 7.500 GegendemonstrantInnen unterwegs, die Initiative „Kein Veedel für Rassismus“ geht von 12.000 Menschen aus. Dutzende Organisationen und Parteien von der CDU über die Linkspartei bis zu den Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften haben zu der Gegendemonstration aufgerufen.

Ursprünglich wollten die „Kögida“-Anhänger über die Deutzer Brücke zum Kölner Dom ziehen, wo Hausherr Dompropst Norbert Feldhoff aus Protest gegen den Aufmarsch die Beleuchtung um 18.30 Uhr ausstellen ließ. Unter dem Motto „Licht aus für Rassisten“ haben sich das Schokoladenmuseum, die Industrie- und Handelskammer, der TÜV und andere der Aktion angeschlossen. Doch die „Kögida“-Veranstalter verzichten auf den Abendspaziergang im Dunkeln und ziehen, von der Polizei geschützt, durch den Deutzer Bahnhof ab. Künftig will sich „Pegida“ von Köln fernhalten und nur noch in Düsseldorf demonstrieren, teilten die rechten Organisatoren am Dienstag mit.