„Wir setzen aufs Experiment“

FESTIVAL Das Explosive!-Theaterfestival hat einen neuen künstlerischen Leiter: Tobias Pflug verrät, was das Publikum in den nächsten sieben Tagen im Schlachthof erwartet

■ 30, ist gebürtiger Bremer. In Hannover studierte er Schauspiel und arbeitet seither als freier Regisseur und Schauspieler. Er leitet die Theaterwerkstatt des Kulturzentrums Schlachthof.

Interview Jens Laloire

taz: Heute beginnt das 13. „Explosive!“ Was zeichnet dieses Theaterfestival aus?

Tobias Pflug: Ganz kurz gesagt: junges, experimentelles, internationales Theater.

Also Jugendtheater?

Ich mag diese Unterscheidung nicht. Wie lange ist man jugendlich? Es geht um junge Theaterformen, um Ansätze, die man so im „normalen Theater“ nicht sieht. Wir setzen sehr aufs Experiment.

Wie sehen diese Experimente aus?

Die Gruppe „Machina eX“ baut ihr Theater wie ein Point-and-click-Adventure auf. Eine neunköpfige Gruppe wird in einen Theaterkosmos entführt, wo man ganz viel selber machen und Rätsel lösen muss.

Das heißt, die Performance gleicht einem Computerspiel, in dem die Zuschauer zu Spielern werden?

Genau.

Ist das ein Schwerpunkt des Festivals, dass das Publikum in die Performance integriert wird?

Könnte man sagen. Wir haben mit „alles ich“ eine weitere Produktion, bei der das so ist. Wobei das nicht zu verwechseln ist mit dem alten Begriff Mitmachtheater.

Es gibt aber auch klassische Formen, in denen der Zuschauer sich zurücklehnen und einfach zuschauen kann?

Unbedingt! Das ist ja eine gute Sache, im Dunkeln zu sitzen, um sich auf etwas konzentrieren zu können. Beim Freedom Theatre werden wir das erleben. Es wird den Moment geben, wo ich als Zuschauer nur schauen darf. Auch beim kroatischen Zagreb Youth Theatre, bei der belgischen Produktion „Unfold“ und beim Jungen Pottporus aus Herne werden die Leute sitzen, schauen und hören können.

Das Festival steht unter dem Motto „Das Fremde im Blick“. Was bedeutet das?

Für mich bedeutet das Fremde im Blick die Begegnung mit dem Fremden – sowohl mit fremden Menschen als auch fremden Theaterformen.

Heute Abend eröffnet das palästinensische Freedom Theatre das Festival. Inwiefern präsentiert diese Gruppe auf der Bühne etwas für uns Fremdes?

„Für mich bedeutet das Fremde im Blick die Begegnung mit dem Fremden – sowohl mit fremden Menschen als auch fremden Theaterformen“

Tobias Pflug

Ich glaube, beim Freedom Theatre wird uns etwas begegnen, das wir hier in unseren Breitengraden theatral so nicht kennen. Die haben ganz andere Gründe, die Bühne zu betreten. Ich gehe davon aus, dass das ein fremdes, völlig außergewöhnliches Erlebnis wird, das wir da sehen werden.

Haben Gruppen wie das Freedom Theatre oder das Zagreb Youth Theatre einen politischen Ansatz?

Ganz bestimmt. Das ist ein weiterer Strang dieses Festivals: Mit diesen zwei Produktionen dringen wir extrem in politische Gefilde vor, in diesen beiden Fällen geht es ganz explizit um kriegerische Vorgänge.

Welchen Stellenwert hat das Explosive in Bremen?

Ich glaube, dadurch, dass es ein Traditionsfestival ist, hat es schon einen hohen Stellenwert, weil man seit 1994 hohe Qualität nach Bremen holt und wirklich Dinge zu sehen bekommt, die hier sonst nicht zu sehen sind.

Über das Wochenende werden Bremer Theaterinteressierte gemeinsam mit zum Festival geladenen Gruppen eine Performance erarbeiten. Richtig. In unserer Festivalproduktion, die Freitag startet und Sonntagabend präsentiert wird, arbeiten drei Gruppen zum Thema „Das Fremde im Blick“. Wir wollen eine Performance basteln, in der Prozesse sichtbar und die Zuschauer Teil von Prozessen werden. Es wird unter anderem ein Zeltlager in der Kesselhalle eingerichtet, außerdem wird es Klang, Gesang und vieles andere geben.