Vom Angry Young Man zu Rambo – und zurück

KLASSIKER Das Filmfest Oldenburg widmet dem 81-jährigen kanadischen Regisseur Ted Kotcheff, dessen Karriere ihn von Toronto über London und das australische Outback bis nach Hollywood führte, eine Retrospektive mit sechs Filmen aus den 60ern bis 80ern

VON ECKHARD HASCHEN

Obwohl er mit „Wake in Fright“ 1971 die bislang größte Blütezeit des australischen Kinos einläutete und drei Jahre später für „The Apprenticeship of Duddy Kravitz“ den Goldenen Bären bei den Filmfestspielen in Berlin erhielt, verbinden selbst Cineasten den Namen Ted Kotcheff heute fast ausschließlich mit „First Blood“ (“Rambo“).

Dass sich dies gerade ein wenig ändert, hängt entscheidend mit der gefeierten Wiederaufführung von „Wake in Fright“ beim Filmfestival von Cannes vor zwei Jahren zusammen, wo dieses ungeschminkte Porträt des Lebens australischen Outback schon 38 Jahre zuvor großes Aufsehen erregt hatte.

Und so bildet „Wake in Fright“, der mit seinen bescheidenen Mitteln eine Intensität und Genauigkeit erreicht, von der Baz Luhrmanns „Australia“ jüngst nicht einmal zu träumen wagte, den Ausgangspunkt der insgesamt sechs Filme umfassenden Retrospektive.

Mögen diese sechs auch nur einen Bruchteil von Kotcheffs in drei Jahrzehnten fürs Kino realisierten Arbeiten ausmachen, dürften sie aber ausreichen, um nicht nur das eine oder andere vergessene Glanzstück wiederzuentdecken, sondern auch thematische und inszenatorische Korrespondenzen in einem Werk aufzuspüren, das auf ersten Blick recht heterogen anmutet.

Begonnen hat der 1931 in Toronto geborene Kotcheff seine Filmarbeit nach einem Studium der englischen Literatur in den fünfziger Jahren beim kanadischen Fernsehen, von wo er bald zum britischen wechselte. Dort hat er früh gelernt, seine Ausdrucksmittel ganz in den Dienst seiner Geschichten und vor allem der Figuren zu stellen. Ein Credo, dem er auch in seinen größeren Arbeiten fürs Kino stets treu geblieben ist.

Ein frühes Beispiel für Kotcheffs besonderes Gespür im Umgang mit seinem Material ist „Life at the Top“, sein zweiter in Großbritannien entstandener Film aus dem Jahr 1965. Laurence Harvey und Jean Simmons spielen darin ein Paar, deren Ehe an den engen gesellschaftlichen Verhältnissen im England jener Jahre zu zerbrechen droht. Besonders Harvey überzeugt hier als angry young man, wie ihn John Osbornes Stücke ein paar Jahre zuvor kreiert hatte.

Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, den Kotcheff, dessen Vorfahren von Bulgarien nach Kanada ausgewandert sind, von seinen frühen Kinofilmen an immer wieder aufnimmt, dann ist es das des Außenseiters, der immer auf irgendeine Art gezwungen ist, sich mit der Gesellschaft, in der er lebt, zu arrangieren. In „Wake in Fright“ ist es der Lehrer, der an der Wildnis und der Rohheit der Menschen im Outback fast verzweifelt. In der Komödie „The Apprenticeship of Duddy Kravitz“ ist es der von dem jungen Richard Dreyfuss perfekt verkörperte Titelheld aus der jüdischen Community in Montreal, der buchstäblich alle Mittel einsetzt, um in der kanadischen Gesellschaft so weit wie möglich aufzusteigen. „Joshua Then and Now“, der wie „The Apprenticeship“ auf einem Roman von Mordecai Richler beruht, handelt von dem von James Woods gespielten Journalisten, der sich in London mitsamt aristokratischer Ehefrau neu erfunden hat, und seiner Vergangenheit doch nie entfliehen kann.