Frau Berben will Gegenpower

FEMININ Lange verstand das Fernsehen unter Geschichte vor allem Katastrophen. Derzeit erzählt insbesondere das ZDF viele weibliche Biografien und dreht an einer weiteren

VON DANIELA ZINSER

Es ist schon ganz schön viel untergegangen im deutschen Fernsehen. Und viel zerbombt worden. Eventproduktionen wie „Dresden“ oder „Die Sturmflut“ haben die Zuschauerzahlen in für historische Stoffe von den Sendern nie erträumte zweistellige Millionenhöhe katapultiert. Da muss doch noch mehr drin sein. Ja, Frauen nämlich.

Die machen nicht nur den größeren Teil des Publikums aus – sie lesen nicht nur mehr, sie sehen auch mehr fern –, sie sind auch prima Protagonistinnen. Und so gibt es immer mehr Produktionen, die ihre Geschichten erzählen. Mit der Lebensgeschichte der Kabarettistin und Ordensschwester Isa Vermehren dreht derzeit in und um Berlin das ZDF eine solche Geschichte.

Als junge Frau tritt Isa Vermehren im politischen Kabarett auf, nach der Flucht ihres Bruders wird sie mit ihrer Familie von den Nazis in Sippenhaft genommen, kann aus der Gefangenschaft fliehen und wird schließlich katholische Nonne. Rund zehn Jahre aus ihrem Leben erzählt „Ein weites Herz“; der Film soll im März 2012 im ZDF laufen. Damit setzt er die lose Frauenreihe im ZDF fort, nach „Schicksalsjahre“ mit Maria Furtwängler und einer Verfilmung des Lebens von Beate Uhse mit Franka Potente im Oktober.

Eine Villa in Berlin-Zehlendorf ist das Filmzuhause der Vermehrens. Iris Berben spielt Isas Mutter, Friedrich und Max von Thun sind Vater und Bruder, gerade wird alles für eine Gartenfestszene arrangiert. Nadja Uhl, im 30er-Jahre-Karokleid, verkörpert Isa. Sie war begeistert von „dieser frechen, forschen jungen Frau, die im politischen Kabarett auftritt und dann nach ihren KZ-Erfahrungen ihren Sinn im Kloster findet. Und eine freche, forsche, von allen geliebte Nonne wird.“ Nadja Uhl reizt an Historienfilmen, „wie aus vermeintlichen Paradoxien im Leben eines Menschen ganz logische, konsequente Zusammenhänge werden, wenn man es sich genauer ansieht“. Gerade der Zuschnitt auf eine Person, auf eine Familie, weg von Außenaction, macht den Film für den Zuschauer interessant. Die Vermehrens seien eine liberale, aufgeklärte, ganz im heutigen Sinne moderne Familie, die nicht in ein Opferschema passe, sagt Günther van Endert, Redaktionsleiter Fernsehfilm beim ZDF. Das erlaube eine neue Perspektive auf die Nazizeit, auf den Widerstand.

Für Iris Berben ist das ein Lebensthema. Mit Lesungen, Vorträgen und ihrer Unterstützung für Stiftungen und Vereine kämpft sie gegen Antisemitismus – und Desinteresse. „Die Thematik ist nicht mit einer Generation vorbei. Man muss neue Bilder, neue Zugänge schaffen, um das Thema zu einem Thema von heute zu machen“, sagt sie. Als Mädchen war sie Schülerin an der Sophie-Barat-Schule in Hamburg, die Isa Vermehren später leitete. „Ich habe eher, wie man neudeutsch sagen würde, Hardcore-Katholizismus erlebt mit den Nonnen.“ Aber Isa Vermehren habe sich das Liberale bewahrt.

Die Schauspielerin begrüßt es sehr, dass Frauen in historischen Filmen stärker in den Fokus rücken: „Über viele Jahre hin war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass männliche Biografien interessanter seien.“ Alle rieben sich immer an Alice Schwarzer, aber wenn man weiter zurückgehe, gebe es viele tolle Frauen, an denen man Veränderungen zeigen könne, sagt Berben und ruft aus: „Holt sie raus, die Frauen, die etwas geleistet haben!“ Und wenn sie sich die jungen Menschen von heute und manche konservative Lebensmodelle ansehe, da sei es Zeit für ein bisschen Gegenpower. Es ist noch mehr drin für die Frauen im Fernsehen.