Nach der Bombe ist vor der Bombe

ENTWARNUNG In der Potsdamer Innenstadt wurde ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. Rund 10.000 Anwohner und Berufstätige mussten evakuiert werden. Passiert ist nichts, der Sprengmeister blieb cool. Ihm hat die Sache sogar Spaß gemacht

Um 11.36 Uhr war für Sprengmeister Mike Schwitzke die Chose vorbei. Der Zünder der Weltkriegsbombe nahe des Potsdamer Hauptbahnhofs war entfernt und anschließend kontrolliert gesprengt worden. Ein China-Böller war nichts dagegen. Nur 35 Minuten benötigte Schwitzke vom Kampfmittelbeseitigungsdienst Brandenburg, bis der Zünder gelöst war. Angst hatte der 43-Jährige nicht, der Mann ist ein Profi: „Wenn man da mit flatternden Hosen hingeht, macht das keinen Spaß.“

Einen ebenso bombigen Spaß hatten am gestrigen Mittwoch aber nicht viele Potsdamer. In der Innenstadt war zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft worden. Während der Entschärfung mussten rund 10.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Betroffen waren auch die Gebäude und Mitarbeiter der Landesregierung, der Landtag im Stadtschloss, Schulen, Kindertagesstätten, Pflegeheime und eine Schwimmhalle.

Der Zug-, Straßenbahn- und Busverkehr von und zum Potsdamer Hauptbahnhof war den gesamten Vormittag unterbrochen. Erst kurz vor 12.00 Uhr wurden alle Bahn- und Straßensperrungen rund um den weiträumig abgeriegelten Bahnhof aufgehoben. Die Anwohner sowie die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und Landesregierung konnten ihre Wohnungen beziehungsweise Büros wieder aufsuchen. Die Evakuierung sei ohne große Komplikationen und mit äußerster Vorsicht verlaufen, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Mittwoch. „Erst als jede Wohnung und jede Einrichtung überprüft worden war, konnte die Entschärfung beginnen.“ Für die Errichtung des Sperrkreises rund um den Fundort des Blindgängers waren 625 Polizisten und Einsatzkräfte unterwegs.

Die 250 Kilogramm schwere Bombe war am Montag auf dem Baugrundstück für die Landesinvestitionsbank ILB gefunden worden. Nach Angaben von Schwitzke war die Bombe amerikanischer Herkunft. Auch der Blindgänger, der bereits kurz vor Weihnachten auf derselben Baustelle ausgegraben worden war, war eine Bombe dieser Bauart.

Das Gelände gehörte früher zum Bahnhof. Während des Krieges seien dort auch Munitionszüge bombardiert worden, die explodierten, berichtete der Stadtsprecher. Nach dem Krieg seien Bombentrichter einfach zugeschüttet worden. Es sei daher nicht ausgeschlossen, „dass auf dem Gelände noch weitere Blindgänger gefunden werden“.

Es war die 159. Weltkriegsbombe, die seit 1990 in Potsdam unschädlich gemacht wurde. Wie viele Weltkriegsbomben er schon entschärft hat, weiß Schwitzke nicht genau. „Zwischen 50 und 60 schätze ich mal.“ Und sicher werden es noch einige mehr werden. „Nach der Bombe ist vor der Bombe“, sagte der Sprengmeister. Brandenburg zählt 70 Jahre nach Kriegsende noch immer zu den Bundesländern mit dem höchsten Anteil an munitionsbelasteten Flächen. ROLA (mit dpa)