Die Linke rauft sich zusammen

Am Sonntag gründen WASG und Linkspartei in Schleswig-Holstein einen gemeinsamen Landesverband. Noch ist offen, wie viel Basisdemokratie sich die neue Formation zutraut

VON ESTHER GEISSLINGER

Auf dem Podium gilt bereits das Prinzip der bunten Reihe: Mitglieder der WASG und der Linkspartei sitzen einträchtig an einem Tisch. Einigen fällt es sogar schwer zu sagen, welcher der „Quellparteien“ sie sich zugehörig fühlen. Zwar schließen sich die Landesparteien der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ und der Linkspartei – ehemals PDS – erst am Sonntag offiziell zusammen, aber in der Diskussion und der Zusammenarbeit sei man „schon weiter“, wie Uli Schippels vom kommissarischen Landesvorstand des in Gründung befindlichen Landesverbandes der Partei „Die Linke“ gestern in Kiel betonte.

Ein Zeichen für das enge Verhältnis sei, dass es für den künftigen Vorstand keine Quotenregel gibt: Gewählt werden nicht VertreterInnen der Alt-Parteien, sondern Menschen unabhängig von ihrem bisherigen Parteibuch. „Einige sind relativ neue Mitglieder, da fällt es ohnehin schwer zu sagen, ob sie Linkspartei oder WASG sind. Andere haben Doppelmitgliedschaften“, sagte Heinz-Werner Jezewski. Er selbst ist früher in der WASG gewesen, jetzt in der Linkspartei, und kandiert nun für einen Sprecherposten im Landesvorstand der Linken. Wenn es denn „Sprecher“ heißen wird – oder wird es doch eher ein „Vorsitzender“?

Um solche Fragen wird es gehen, wenn am Sonntag die Delegierten zusammenkommen: Wie die Satzung aussieht, wie der Vorstand bestückt wird. „Das ist für die Öffentlichkeit nicht so spannend“, gab Schippels zu. Für die Partei aber sei wichtig, ob am Ende ein hierarchischer Vorstand mit Vorsitzenden oder ein Vorstandskollektiv mit Sprecherinnen und Sprechern die Arbeit aufnimmt.

Es geht darum, die gemeinsamen Grundlagen festzuklopfen: gegen Hartz IV und für Frieden, gegen Studiengebühren und für die Abschaltung der Atomkraftwerke. Und es geht darum, wie viel Basisdemokratie die Partei sich zutraut, weniger als ein Jahr vor den Kommunalwahlen, an denen Die Linke in allen Kreisen und einigen Gemeinden teilnehmen will.

Die Partei rechnet sich – gerade in den großen Städten Kiel, Lübeck und Flensburg, aber auch in einigen kleineren Orten – gute Chancen aus. Bis zur Wahl muss die innere Struktur aber noch wachsen: Rund 850 Mitglieder wird Die Linke in Schleswig-Holstein haben, davon gehören etwa 300 der WASG an, 400 der Linkspartei, 150 sind Neu- oder Doppelmitglieder. Beraten werden die Delegierten auch eine Reihe inhaltlicher Anträge.

So harmonisch wie sich die Funktionäre heute präsentieren, war das Verhältnis längst nicht immer: Zwischenzeitlich brachen die offiziellen Kontakte ab. Die WASG wollte abwarten, bis die Linkspartei ihre Konflikte gelöst hätte.

Denn im Jahr 2005 und noch bis 2006 hinein spaltete eine Debatte um den Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann die Linkspartei: Dieser hatte in der DDR als Personenschützer gearbeitet und war damit Stasi-Angestellter. Seine Kritiker störte, dass er das vor der Wahl nicht sagte und zu lange mit einer Entschuldigung zögerte, als der Fall bekannt wurde. Heilmann sitzt weiterhin im Bundestag. „Es gab eine scharfe Auseinandersetzung, aber sie ist beigelegt“, sagte Jezewski.

Auch jenseits dieser Personalie fiel es den Parteien nicht leicht, sich zusammenzuraufen. Noch im Februar 2006 beschwerte sich bei einem Parteitag ein WASG-Vorstand über die bisherigen Verhandlungen: „Wir wurden behandelt wie die Ein-Euro-Jobber der Linkspartei – keine Rede von Gesprächen auf Augenhöhe.“

Diese Phase sei vorbei, betonen die Mitglieder des amtierenden Vorstandes. Dennoch gebe es inhaltliche Differenzen, auch wenn die sich nicht mehr so einfach am Parteibuch festmachen ließen. Viel Diskussionsstoff – für Sonntag und darüber hinaus.

Die anderen Parteien betrachten den Neuling gelassen – zumindest klingt es so: Es gebe „mit der SPD eine linke Volkspartei im Land“, so der Landeschef der Sozialdemokraten, Ralf Stegner, in einem Interview: Die Linke sei „keine Gefahr“.

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hatte im Juli erklärt, die Linke schwanke „zwischen Ideenlosigkeit und Rückwärtsgewandheit“. Gegen die kommunale Fünf-Prozent-Hürde arbeiten Linke und Grüne allerdings zusammen.