Google attackiert nun Reiseanbieter im Netz

ONLINE Internetgigant bietet eine neue Flugsuche an. Das macht auch deutsche Reisefirmen nervös

BERLIN taz | „Entschuldigung, Orte außerhalb der USA werden zurzeit nicht unterstützt“, steht in großen Buchstaben auf der Google-Seite. Seit Dienstag kann man dort auch nach Flügen suchen. Noch ist das Angebot allerdings auf die USA beschränkt.

Das werde allerdings nicht lange so bleiben, denken Insider aus der deutschen Online-Reisewirtschaft. Spätestens in einem halben Jahr, so fürchtet man, werde Google die Flugsuche auch in Deutschland einführen.

Google selbst hält sich bedeckt: Man habe „diesbezüglich derzeit nichts anzukündigen“, sagt eine Sprecherin. Es gibt aber Hinweise, dass Google auch den deutschen Markt sondiert. Google habe der Lufthansa sein neues Angebot schon vorgestellt, heißt es aus Kreisen der Reisewirtschaft. Die Lufthansa wollte das bis Redaktionsschluss nicht bestätigen.

Das Reisegeschäft im Internet boomt. Laut dem Verband Internet Reisevertrieb (VIR) haben sich die Online-Umsätze der Branche seit 2006 fast verdoppelt. Rund 25 Milliarden Euro werden in 2011 online umgesetzt, schätzt der Verband.

Jetzt ist die Unruhe in der Reisebranche groß. Immerhin umgeht Google mit seiner Flugsuche die Reiseveranstalter und Flugsuchmaschinen. Die sehen sich schon jetzt in einem harten Wettbewerb. In Deutschland konkurrieren nach Verbandsangaben rund drei Dutzend Online-Reiseagenturen. Hinzu kommen Angebote, die Flugpreise vergleichen, selbst aber keine Reisen anbieten. Deshalb ist die Reisebranche in hohem Maße von ihrer Platzierung bei Google abhängig. Jährlich überweist sie über 350 Millionen Euro für Werbeanzeigen an Google, hat die Firma Xamine errechnet. „Der Wettbewerbsdruck nimmt zu, und das steigende Buchungsvolumen treibt die Keywordpreise in die Höhe“, sagt Peter Herold von Xamine.

Die Branche vermutet, Google wolle neben den Anzeigenerlösen jetzt auch noch die Provisionen der Fluglinien einstreichen. „Sie nutzen ihre starke Position, um andere vom Markt zu drängen“, sagt ein Mitarbeiter einer Reiseagentur, der anonym bleiben möchte. Weil man von Google abhängig sei, will sich niemand öffentlich äußern. Alle Portale befürchten, dass Google ihnen den Saft abdreht.

Experten halten Googles Marktchancen für gut. „Mit Google käme ein sehr wettbewerbsfähiger Anbieter auf den Markt“, sagt Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das könne zu einem Verdrängungswettbewerb führen. Ein Wettbewerbsverfahren bringe aber wenig, so Erber. Denn es sei zweifelhaft, ob kleine Angebote sich während eines langwierigen Wettbewerbsverfahrens halten können. JAKOB SCHULZ