BETTINA GAUS MACHT
: Fische gegen Kartoffeln

Der Villenarchitekt spricht vom Verderben, andere haben ernste Sorgen. Zu Besuch auf der griechischen Insel Paros

Paros. War was? Ist was? Weit weg scheint die Eurokrise hier zu sein. Es gibt überteuerte Restaurants mit wundervollem Blick aufs Meer. Edelboutiquen. Und sehr reiche Kunden. Aus ganz Europa, vor allem aber aus Athen. Nicht nur Pauschal-und Rucksacktouristen besuchen diese Insel in der Ägäis, sondern auch die griechische Oberschicht hat sie als exklusiven Rückzugsort für sich entdeckt. Geschmackvolle Luxusvillen im Landesstil stehen abseits der Hauptstraßen inmitten gut gepflegter Olivenhaine.

Noch sitzt der inzwischen ungeliebte Euro auf Paros locker. Akzeptabel sei die Saison gewesen. Nicht großartig, aber durchaus akzeptabel, so lautet das übereinstimmende Urteil derer, die vom Tourismus leben.

Noch sind es nur Gespräche, die die Idylle stören.

Im Notfall könne man auf dem eigenen Grund und Boden einfach Landwirtschaft betreiben, meinen manche, die hier millionenschwere Immobilien besitzen. Früher habe die Insel ja auch davon und von der Fischerei gelebt. Für Oliven gebe es beispielsweise immer einen Markt.

„Und wie willst du deine Oliven transportieren, wenn es kein Öl mehr gibt für die Frachtschiffe?“, fragt einer der Männer am Tisch, ein 72-jähriger Architekt aus Paros. Er hat viele der Luxusvillen entworfen, deren Besitzer jetzt sorgenvoll in die Zukunft blicken. Die Pleite sei nicht zu verhindern, die Drachme werde wieder eingeführt, und die Armen, die Enttäuschten, die jungen Arbeitslosen: Sie alle holten sich demnächst mit Gewalt das, was sie anders nicht mehr bekommen könnten. Unabwendbar sei der Weg ins Verderben.

Der Architekt geht seinen Freunden auf die Nerven. Weil er unrecht hat? Nein, er sehe die Lage eigentlich genauso, meint ein Geschäftsmann aus Paros, der vor einigen Jahren sein überaus erfolgreiches Restaurant verkauft hat. Es nutze allerdings nichts, jetzt Panik zu verbreiten. Notfalls werde er Kartoffeln anbauen und dafür Fisch bekommen. Weil ihm langweilig geworden war, hat er aber gerade erst ein neues Geschäft eröffnet. Für gehobene Inneneinrichtung.

Die Männer versuchen nicht, witzig zu sein. Trotzdem ist ein seltsamer Unernst spürbar, wenn sie über die Lage sprechen. So, als ob sie sich auf das vielleicht letzte große Abenteuer ihres Lebens freuten – und so, als wüssten sie im Grunde, dass es so dramatisch für Leute wie sie schon nicht kommen wird.

Der Frau eines Apothekers im Ruhestand geht das anders: „Ich glaube, es wird schlimm.“ Ihr Mann sei schwer krank und deshalb frühpensioniert, seit Jahren schon. Jetzt muss er sich von einer Kommission daraufhin untersuchen lassen, ob er wirklich arbeitsunfähig ist. „Politisch finde ich das ja richtig. Aber was, wenn seine Krankheit nicht akzeptiert wird? Er kann tatsächlich nicht arbeiten.“ Unter schweren Depressionen leide er, erzählen später Freunde.

Der ehemalige Apotheker und seine Frau, ein Ehepaar in den Fünfzigern, sind nicht reich. Aber sie hatten ihr Auskommen, bisher. Jetzt wissen sie nicht, ob das so bleiben wird. „Heute Abend werde ich wieder Nachrichten schauen, und wieder werde ich ganz einfach nicht verstehen, was vorgeht“, sagt sie. Damit ist sie nicht alleine.

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: A. Losier