Cool, calm and collected

KONZERT Automat sorgen mit einem gelassenen Repetitionsrock für ein sanftes Wippen in der Berghain-Kantine

Ein Vorteil der Schallplatte gegenüber der Musik als digitaler Datenmenge ist ja, dass man sie, als haptisches Material, tatsächlich mit den Händen greifen und gegebenenfalls sogar mit den Füßen treten kann. Was ein gewissenhafter Schallplattenbesitzer natürlich nie tun würde. Das gute Stück könnte doch einen Schaden erleiden dabei.

Genau dieser Schaden aber interessierte die Berliner Band Automat bei ihrer vergangenen Herbst erschienenen Platte „Bootleg“. Dafür legte sie vorab bei einem Konzert in der Kunsthalle Düsseldorf unbespielte Vinylschallplatten auf dem Boden aus und nutzte dann den Sound der Kratzspuren, die die scharrenden, stampfenden oder sich sonstwie bewegenden Füße darauf hinterlassen hatten, als Basismaterial für ihre Tracks.

Euphorisch getanzt haben aber wird das Publikum in der Düsseldorfer Kunsthalle bestimmt nicht zur Automat-Musik. Denn sonst hätte das Konzert dort doch entschieden anders verlaufen müssen als der Auftritt der Band am Donnerstag in der Berghain-Kantine, bei dem die Menschen sich eher andächtig in Stellung brachten vor der Bühne. Gern mit vor der Brust verschränkten Armen. Auch die Musiker auf der Bühne bemühten sich kaum um eine Annäherung. Als streng konzeptionelle Instrumentalmusikband verkniffen sie sich alle Ansagen und gönnten dem Publikum zwischen den Stücken kaum den Raum für etwas Applaus – was doch nur wieder heißen musste, dass hier an diesem Abend einzig und allein die Musik von Belang sein sollte.

Unterkühlte Funkyness

Und von der, in die unterschiedlichsten Richtungen treibend, verstehen die drei von Automat einiges. Gitarrist Jochen Arbeit kennt man von Die Haut und den Einstürzenden Neubauten, Achim Färber trommelte schon für Phillip Boa, Project Pitchfork oder auch Prag, der Band mit der Schauspielerin Nora Tschirner (deren zweites Album „Kein Abschied“ übrigens Mitte Januar erscheinen wird), der Bassist Zeitblom durfte sich bei seiner Band Sovetskoe Foto mit so Musikern wie John Zorn oder Fred Frith austauschen – dies alles nur ein paar Stichworte zu den dreien, die man in Berlin in immer neuen Projekten und Konstellationen hören kann.

Zusammen als Automat machen sie einen durch Postpunk- und Industrial-Erfahrungen gefilterten technoiden Repetitionsrock, wie man ihn durchaus auch von den ollen Krautrockern wie Cluster, Neu! und meinetwegen auch den mittlerweile kurz vor der Heiligsprechung stehenden Kraftwerk kennt.

Ein dicht organisierter Sog mit unterkühlter Funkyness, angetrieben von Achim Färber, der in seinem Beat die Sturheit eines Metronoms mit leicht verschleppenden Dub-Elementen zu verbändeln wusste, schlicht und tricky. Gern schaute man ihm bei seiner Arbeit zu, verfolgte überhaupt mit Interesse die schick entworfenen musikalischen Tapetenmuster der Band. Und blieb dabei so kühl und distanziert wie deren emotional ausgenüchterter Groove.

Eben die Arme vor der Brust verschränkt. Bestenfalls sah man hier und da in der Berghain-Kantine ein sanftes Wippen im Publikum. Irgendwie verblieben Körper und auch Geist seltsam unbeteiligt bei der Musik. Nichts für eine erregte Begeisterung.

Was aber eben doch wieder einen Nerv getroffen haben muss mit dieser Unaufgeregtheit und der kühl temperierten Musik, die einfach in dem steten Schub vor sich hin pochte. Jedenfalls mussten Automat gleich mehrere Zugaben anhängen und winkten dann sogar auch noch freundlich mit einem Lächeln dem Publikum zu. THOMAS MAUCH