nebensachen aus washington
: Vom täglichen Leben auf dem Mond – manchmal auch ohne Strom

Bekanntlich leben wir in einer unipolaren Welt, in der die einzig verbliebene Supermacht zwar kulturell nicht ganz unangefochten ist, aber auch ihre so kleinteiligen wie kleingeistigen alteuropäischen Bekritteler zugeben müssen, dass der technologische Vorsprung der führenden Nation dieser Erde in manchen Bereichen schier übermächtig ist.

So waren wir noch nie auf dem Mond. Die Amerikaner leben da jeden Tag. Und etliche davon auf der hinteren Seite. Es heißt ja: Reisen bildet – Vorurteile. Sesshaft zu sein in der Fremde, baut dagegen manches Vorurteil ab – also zum Beispiel, dass nur der dunkle Kontinent derart häufig von derart dunklen Stromausfällen geplagt wird.

Gar nicht wahr. Die Verteilerkästen in Lagos gleichen denen in Washington D. C. aufs Haar. Ihre Funktionstüchtigkeit ist ebenso untüchtig. Allerdings habe ich Nigerianer erlebt, die mit dieser Tatsache wesentlich unduldsamer umgehen als unsere Nachbarn in Weltmachthausen.

Als es das erste Mal passierte, und morgens um sieben der Teekocher nicht ging, kein Licht den Weg in die Winternacht fand, die Heizung nicht gegen die Schweinekälte anheizte und das Festnetztelefon toter Mann spielte, trat ich nach eineinhalb Stunden auf die gespenstisch stille Straße. Wir leben in einem Viertel, in dem alle viel arbeiten, um sich ein schmuckes Stadthäuschen leisten zu können.

Es dauerte, bis ich jemanden fand, der noch zu Hause war. Die alte Nachbarin nickte freundlich: „Es hat heute Nacht ja geregnet“ – „Ja“, bestätigte ich, „aber doch nur ein bisschen, ich meine, was hat das mit dem Strom zu tun?“ – „Es ist der Verteilerkasten da hinten, er ist undicht. Und wenn es regnet, wird er nass.“ „Na so was“, sagte ich, aber da hatte sie schon freundlich mit den Schultern gezuckt: „Warten wir’s ab, es dauert meistens nicht lange.“

Nach drei Stunden rief ich mit der letzten Batterie des letzten Handys unseren Vermieter an. Er sagte: „Ja, die Stromgesellschaft merkt das und kommt.“ Ich fragte: „Passiert das oft?“ – „Nein.“ Ich insistierte: „Wie oft?“ Er flötete: „Nur ein-, zweimal im Monat.“ Noch so ein Vorurteil: Amerikaner übertreiben alles. Manchmal untertreiben sie auch.

Zum Beispiel wurde Online-Banking hierzulande schon vor einem Jahr eingeführt. Bei der Bank of America, der landesweit größten, geht das so: Nach wochenlangem Einrichtungspalaver mit Atempausen während der Stromausfälle füllt man vollelektronisch die Überweisung der Miete aus. Drei Tage später bekommt der Vermieter – einen Brief. Per Post. Darin ein Scheck. Handschriftlich ausgestellt. In Worten: H-a-n-d-schriftlich.

Nun ein positiver Fall out der Hochtechnologie made in the USA: Es wird behauptet, der amerikanischen Raumfahrt verdanken wir die Teflonpfanne. Prima. Aber ich frage mich, wie die Spaceschüttler mit derart undichten Fenstern ins All kommen. Tatsächlich ist bei unseren Hochschiebefenstern Zug drauf. Man kann sich davor die Haare föhnen. Im geschlossenen Zustand. Vorläufig letztes Vorurteil, diesmal der Einheimischen: Alteuropäer sind hochnäsig. Keine Feinstaubahnung, wie sie darauf kommen. KARIN DECKENBACH