Es ist nur Liebe

HANDBALL Die am Donnerstag beginnende WM in Katar gilt als Testlauf für die Fußball-WM 2022. Mit einem Rekordbudget will der Wüstenstaat glänzen. Fraglich ist nur, wie die Stimmung in den Hallen sein wird

DOHA taz | Handball in der Wüste. Vor vier Jahren, als die Internationale Handball-Föderation (IHF) die Weltmeisterschaft nach Katar vergab, klang das wie ein schlechter Witz. Die Kritik war groß. Die Franzosen, die sich auch beworben hatten, witterten Betrug. Am Donnerstag nun startet das 24. Weltturnier in Doha mit dem Eröffnungsspiel des Gastgebers gegen Brasilien, die deutschen Profis treffen am Freitag auf Polen.

Weshalb aber interessiert sich Katar für diesen Sport? Hassan Moustafa glaubt, es sei Liebe. Allein die Hingabe des Staatschefs sei dafür verantwortlich, dass die WM als Turnier der Superlative in Handballgeschichte eingehen wird, erklärt der Präsident des IHF. „Der Emir von Katar liebt den Handball. Er wird alles tun, damit die Gäste sich in seinem Land wohlfühlen.“

Stolz referiert der ägyptische Spitzenfunktionär die ökonomischen Rahmendaten des teuersten Handballevent aller Zeiten. Rund 220 Millionen Euro kostet den Wüstenstaat das Championat – rund zehnmal mehr als die WM 2007 in Deutschland. Drei supermoderne Hallen, die größte in Lusail fasst gut 15.000 Fans, sind für die WM gebaut worden.

Die gesamte Logistik und die sportliche Infrastruktur werden hervorragend sein, prophezeit Bernhard Bauer. „Die Bedingungen in den Hallen und in den Hotels sind sicher einmalig“, sagt der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB). „Das Einzige, was keiner so richtig vorhersehen kann, ist die Atmosphäre in den Hallen.“ In ihrer Bewerbung versprachen die Katarer allerdings, dass es keine leeren Plätze geben werde.

Trotz aller Lobeshymnen gibt es eine sagenhaft schlechte Presse über die katastrophalen Arbeitsbedingungen im Sportstättenbau, seit die Fußball-WM 2022 dorthin vergeben worden ist.

Der Handballevent dient nun als Testlauf für das Mega-Turnier des Fußballs. Die Organisation der Besucherströme, das logistische Management, die Facetten der Fankultur in Katar – das alles wird sorgfältig analysiert werden. Und die Weltpresse schaut mit Argusaugen zu.

Vieles, was über den Katar geschrieben werde, folge Klischees und sei unfair, beklagt Christian Wacker. Der Archäologe hat sechs Jahre in Doha gelebt und hat das Qatar Olympic and Sports Museum (QOSM) aufgebaut, das 2019 eröffnet werden soll. Er rühmt etwa die Nachhaltigkeit der drei Hallen, die teilweise als Sitz der katarischen Sportverbände genutzt werden – oder, wie Lusail, als Multifunktionshallen angelegt sind.

Und Kritik daran, dass die Qatar Handball Federation (QHF) für die Heim-WM Legionäre wie den Torwart Danijel Saric einbürgert, empfindet er als Heuchelei. „Das ist doch legitim“, sagt Wacker. „Katar ist ein Einwanderungsland seit 50 Jahren. Legionäre dienen hier teilweise als Vorbilder.“ Da Handball die „zweitpopulärste Mannschaftssportart“ sei, erscheine ihm die Praxis als logisch.

Wie heftig die Kritik an den Herrschern im Golfstaat auch ausfalle, der kleine Staat am Persischen Golf werde an seiner Sportpolitik festhalten, glaubt Wacker. „Katar wird sich auch weiterhin sehr stark über den Sport definieren und sich stark engagieren. Sport gehört zum Leitbild des gesamten Staates, Sport zählt neben Erziehung/Bildung und Kultur zu den drei großen Säulen auf der Agenda des Staates bis 2030.“

Der Weltverband ist reich geworden durch Katar. Die IHF kassierte von BeIn Sports, einem Ableger des Staatssenders al-Dschasira, 100 Millionen Schweizer Franken für die TV-Rechte an den WM-Turnieren 2015-2017. In Deutschland wurde scharf kritisiert, dass der katarische Rechtehändler die TV-Rechte nicht an ARD und ZDF verkaufen wollte. Auch die Verhandlungen der Öffentlich-Rechtlichen hinsichtlich der Zweitverwertungsrechte für den deutschen Markt sind inzwischen gescheitert. Die deutschen Spiele sind allein beim Bezahlsender Sky zu sehen. Ein Zustand, der theoretisch auch für die Frauen-WM 2017 in Deutschland denkbar ist. ERIK EGGERS