Sie nennen es Trash

„Video Kings – Die Trash Komödie“ spielt in einer heruntergekommenen Videothek, angeblich in Neukölln, und wird mit einigem Aufwand als „geiles“ Stück „Punkrock“ vermarktet. Von Neukölln allerdings ist in der ganz und gar konventionell erzählten Liebesgeschichte herzlich wenig zu sehen

VON RONALD DÜKER

Bei Rossmann am Kotti gewesen, Begegnung der dritten Art gehabt. Wer ist an der Kasse eines Drogeriemarkts schon auf einen solchen Sound gefasst? Ganz plötzlich hob es an, dieses schwer zu verortende, aber lautstarke Knurren. Als wäre hier ein ausgehungerter Höllenhund auf einen saftigen Fleischlappen losgelassen, dann aber durch eine zu kurze Leine am Zubeißen gehindert worden – grrrrrrrrrrrrr. Das Schauerliche an der Sache: Das animalische Geräusch entsprang den Tiefen einer menschlichen Kehle. Ein Kunde produzierte diese Tonspur eines Horrorfilms, während er der erschrockenen Kassiererin eine CD, nämlich eine Zusammenstellung klassischer Musik mit dem Titel „Champagnerlaune“ aufs Band legte. Ob sie geholfen hat, wissen wir nicht. Man ahnt jedoch: Nichts wirkt wie Champagner – außer Champagner selbst –; somit handelt es sich hier wohl um einen klassischen Fall von Etikettenschwindel.

Im Kino ist ab heute ein ähnlich irreführend betiteltes Kulturprodukt der Regisseure Daniel Acht und Ali Eckert zu begutachten. Auf Fragen der Etikettierung wurde auch hier der größte Werkt gelegt. „Video Kings – Die Trash Komödie“ heißt der Streifen, der, wie es heißt, „wie eine Band promotet“ wurde. Das heißt: „Fan-Communities“, „Secret-Shows“ im Vorfeld und eine „Premiere-Tour mit Rock Band im Gepäck“. Hinzu kamen die cleversten Kniffe zeitgemäßen Guerillamarketings: „Virale Clips, Internet-Teaser, Song-Contest“ und eine Aktion auf Myspace, die ihren Teilnehmern eine Namensnennung im Abspann des Films versprach. Von den Arctic Monkeys lernen heißt siegen lernen.

Was aber ist drin in der Packung mit der Aufschrift „Trash-Komödie“? Soll man den Lobeshymnen der Beteiligten glauben? Dann wäre hier der „beste Soundtrack seit Pulp Fiction“ (Uncle Sally’s, Pop-Postille und offizieller Medienpartner) zu hören und der Film ein Stück „Punkrock“, bei dem alles passt „wie Arsch auf Eimer“ (Bela B., beteiligter Schauspieler). Til Schweiger (ebenfalls im Bild) befindet, der Film sei „absolut charmant“ und „geil“. Auf der Leinwand stellt sich die Sache leider weniger atemberaubend da. „Video Kings“ bietet über Schweiger und Bela B. hinaus eine ganze Reihe halbwegs bekannter TV-Größen auf: Fabian Busch, Oliver Korittke, Wotan Wilke Möhring und das hessische Komikerduo Badesalz zum Beispiel. Und erzählt eine Geschichte, die in Berlin-Neukölln angesiedelt sein soll, angesichts der raren Außenaufnahmen aber auch in Hannover, Duisburg oder Oldenburg spielen könnte. Eine Videothek („Video König“) samt Personal (Flo und Hotte) und Geldproblemen, dann plötzlich die große Liebe: Eine ungewöhnlich schöne Frau („Hier kommen sonst nur Verrückte rein“) betritt den Laden und reißt Flo mit einem Blick hin. Der zehrt in schwierigen Lebenslagen von einem Zitatenschatz, den er Filmen wie „Short Cuts“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ abgelauscht hat.

Bevor Flo und seine Lieblingskundin Ramona aber zum Ende des Films zusammenkommen und von dannen ziehen dürfen, sind Hindernisse zu beseitigen. Üble Typen schauen vorbei: Drogendealer und Inkassoleute, schließlich Flos Ehemalige, die ihn nun doch heiraten will. Kollege Hotte treibt es mit der Frau des Chefs, eine vertauschte Videokassette bereitet gewaltigen Ärger, und dann wäre da noch die Frage, warum ausgerechnet die adrette Ramona ihren Lebensunterhalt mit Telefonsex bestreit. Irrungen und Wirrungen also – abgefilmt in einem Set, das eher an die Kulisse einer Vorabendsitcom erinnert als eine real existierende Videothek. Und dann wird, weil’s nicht zuletzt um Milieustudien geht, natürlich auch da und dort, und zwar ganz schlecht, berlinert.

Das also soll Punkrock sein? Wohl eher eine maue Komödie mit matten Gags, fernsehbekannten Mimen und einem Plot nach Schema F, der amouröse Verwicklungen konstruiert, um sie zum Zwecke einer höchst konventionellen Paarfindung am Ende hübsch aufzulösen. Nun gut. Sie nennen es Trash – ich nenne es Mist. Und wäre gern den souveräneren Kollegen gefolgt, die die Pressevorführung schon nach zehn Minuten verließen. Leise fluchend und ganz und gar nicht in Champagnerlaune.

„Video Kings“. Regie: Daniel Acht und Ali Eckert. Mit Fabian Busch, Wotan Wilke Möhring u. a. Deutschland, 92 Min. Ab heute in diversen Berliner Kinos zu sehen