Gegen Konzern-Gerichte

TTIP 97 Prozent der Teilnehmer an EU-Konsultation fordern Verzicht auf Investitionsschutz. Doch die EU-Kommission will ihn allenfalls an vier Punkten nachbessern

„Die Kommission muss ihr eigenes Verfahren ernst nehmen“

KARL BÄR, STOP TTIP

VON JULIA AMBERGER

BERLIN taz | Die Europäische Kommission will den Investitionsschutz im Freihandelsabkommen TTIP mit den USA überarbeiten. Das gab die für Handel zuständige Kommissarin Cecilia Malmström am Dienstag in Brüssel bekannt. Dazu will sie sich zunächst mit dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat beraten und anschließend neue Vorschläge für die TTIP-Verhandlungen entwickeln. Erst danach wird mit den USA über das umstrittene Kapitel weiterverhandelt.

Der Grund für den Vorstoß ist der große öffentliche Widerstand gegen Sonderklagerechte für Konzerne, der aus den Antworten auf eine Onlinekonsultation hervorgeht. Diese hatte die Kommission aufgrund von starker Kritik im Juni gestartet und die Verhandlungen so lange ausgesetzt.

Die Auswertung der knapp 150.000 Antworten, die Malmström am Dienstag präsentierte, zeigt, dass 97 Prozent der BürgerInnen in Europa TTIP oder den Investitionsschutz und Schiedsgerichte prinzipiell ablehnen. In einigen Fällen schlugen die TeilnehmerInnen aber auch Veränderungen in Bereichen vor, „in denen Reformen möglich sind“, so Malmström.

Konkret will die Kommission an vier Punkten nachbessern: Zum einen will sie klären, wie sie die Regulierungshoheit von Staaten sichern kann. Die soll verhindern, dass Staaten beispielsweise auf neue Gesetze verzichten, weil sie befürchten, dass sie von Investoren verklagt werden. Zweitens will sie die Einrichtung und die Funktion von Schiedsgerichten neu diskutieren – dabei steht auch ein ständiger Gerichtshof zur Debatte. Derzeit ist ein privates Verfahren geplant, das nicht von Richtern, sondern von Wirtschaftsanwälten geleitet wird. Drittens will die Kommission das Verhältnis zwischen der innerstaatlichen Justiz und den Schiedsgerichten ausloten. Dabei will sie auch prüfen, ob man von Investoren verlangen könne, erst vor einem regulären nationalen Gericht zu klagen. Zudem will sie die Einrichtung einer Berufungsinstanz diskutieren.

Den Gegnern wie der Bürgerinitiative „Stop TTIP“ geht das nicht weit genug: „Die EU-Kommission muss ihr eigenes Verfahren ernst nehmen und die Verhandlungen sofort beenden“, fordert ihr Sprecher Karl Bär als Reaktion auf das Konsultationsergebnis.

Zwar schließt es die Kommission nicht aus, das Investorenschutz-Kapitel zu streichen. Doch das ist Kommissionskreisen zufolge unwahrscheinlich, wenn man TTIP aus der Sicht der USA betrachtet: Derzeit verhandelten die USA über die Freihandelszone Asien Pazifik FTAAP und die Transpazifische Partnerschaft – denen müssten sie eine Ausnahme für EU-Länder erst erklären.

Das Investitionsschutzkapitel im bereits abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit Kanada, Ceta, das derzeit den juristischen Feinschliff erhält, will die Kommission nicht nachbessern. Dabei handle es sich bereits um eine überarbeitete Version, sagte Malmström.