Schnappauf flüchtet aus dem Gammelstaat

Hochwasser, Bär Bruno, ekliges Fleisch: Bayerns Umweltminister will lieber Lobbyist beim Industrieverband werden

MÜNCHEN taz ■ Er ist der umstrittenste Minister im bayerischen Kabinett, doch dieser plötzliche Jobwechsel kam unerwartet: Der bayerische Minister Werner Schnappauf (CSU) gibt sein Amt auf und wechselt als Hauptgeschäftsführer zum Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Der Minister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz erklärte, das neue Amt sei ihm „angetragen worden“. Zum Arbeitsantritt im November will Schnappauf sein Ministeramt und sein Landtagsmandat niederlegen und die Ämter in der CSU übergeben.

Die wichtigste Position dabei: der oberfränkische CSU-Vorsitz. Ein Kurfürsten-Amt, das im CSU-System, das vor allem nach Regionalproporz funktioniert, automatisch zu einem Anrecht auf einen Kabinettsplatz führt. Dieser Standortvorteil und Schnappaufs große Nähe zu Stoiber waren auch der Grund, wieso der oberfränkische CSU-Mann bislang allen Rücktrittsforderungen widerstanden hat. Auch im Kabinett des künftigen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein galt er als gesetzt, wenn auch vielleicht in einem anderen Ressort.

Seit der Hochwasserkatastrophe 2005 stand Schnappauf immer wieder unter Feuer. Ein Aufstand ging durch Bayern, als er den Braunbären Bruno zum Abschuss freigab. Vor allem steht der bayerische Verbraucherschutzminister für den Gammelstaat Bayern. Seit 2005 findet sich immer wieder eklige Ware – ob in Passau, München, Deggendorf, Memmingen oder jüngst Wertingen. Daran änderte die Einrichtung einer 70 Mann starken Eingreiftruppe nichts.

Die bayerische Opposition sieht genau in den wiederkehrenden weiß-blauen Fleischskandalen den Grund für Schnappaufs Rückzug. Er selbst bestreitet das. Ihn reize nach neun Jahren Ministertätigkeit eine neue Herausforderung. Auch der oberfränkische CSU-Abgeordnete Hans-Peter Friedrich glaubt nicht an einen Rückzug wegen der Fleischskandale: „Er wäre gesetzt gewesen. Aber eine solche Spitzenposition ist nach vielen Jahren Politik eben auch spannend“, sagte der Vize der Unions-Fraktion zur taz. BDI-Präsident Jürgen Thumann erklärte die Vorzüge seines neuen Geschäftsführers: „Schnappauf hat immer wieder betont, dass Umweltschutz nur mit der Wirtschaft betrieben werden kann.“

Die Stelle des BDI-Hauptgeschäftsführers ist schon länger unbesetzt. Vorgesehen war der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Norbert Röttgen. Seine Berufung zerschlug sich, als bekannt wurde, dass er neben dem Lobbyjob Abgeordneter bleiben wollte.

Wer Schnappauf nachfolgt, ist unklar. Für das Ministeramt steht CSU-Generalsekretär Markus Söder bereit (siehe Portrait auf Seite 2). Offen ist aber, wer die Oberfranken-Quote in Becksteins neuem Kabinett ausfüllt. Einziger verbleibender Oberfranke in der Regierung ist Sozialstaatssekretär Jürgen Heike, der auch neuer CSU-Bezirkschef werden könnte. MAX HÄGLER