THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Was kann schon aus einem Leben werden, wenn man den Namen Jesus Maria trägt und eine Zwillingsschwester hat, die auch noch Maria heißt! Der Vater der beiden ist längst über alle Berge, die Mutter trinkt. Und wenn sich dann auch noch die amtierende Oberschmerzensfrau des deutschsprachigen Theaters die Geschichte ausgedacht hat, scheint ein Happy End ziemlich unmöglich. Oder? „Gaunerstück“ hat Dea Loher ihr neues Stück überschrieben. Und zwar, weil sich die Zwillinge entschlossen zeigen, ihr Glück dem Unglück abzutrotzen, zu dem sie verurteilt sind: es sich nämlich einfach zu ergaunern versuchen. Die niederländische Regisseurin Alize Zandwijk inszeniert die Uraufführung. (Deutsches Theater, Uraufführung 15. 1., 20 Uhr).

Unglück findet auch der Schlosser Gleb Tschumalow vor, als er nach dem Ersten Weltkrieg 1920 in seine Heimatstadt zurückkehrt. Unglück, Hunger, Angst und Resignation. Das Zementwerk, wo er einst arbeitete, ist zerstört und die Menschen demoralisiert. Dabei hatte die russische Revolution doch das komplette Gegenteil versprochen. In seinem pathosschwangeren wie wortgewaltigen Geschichtspanorama „Zement“ aus den 70er Jahren hat Heiner Müller zum großen Ausbruch aus dem Gefängnis der Ideologie ausgerufen. Im pathosarmen Gorki Theater hat sich Sebastian Baumgarten jetzt den komplexen Stoff vorgenommen und mit Spitzenkräften des Hauses in Szene gesetzt. (Gorki Theater: „Zement“, Premiere 16. 1., 19.30 Uhr).

Und wo wir schon lauter Leuchttürme der Berliner Theaterkultur abklappern: In der Staatsoper im Schiller Theater inszeniert Michael Thalheimer Carl Maria von Webers berühmte Schaueroper „Der Freischütz“: Eine Splatter-Lovestory mit Geisterchören im deutschen Wald, in der ein junger Jäger einen Pakt mit dem Teufel schließt. Das suggestiv komponierte Werk spielt mit dem Einbruch des Übersinnlichen und des Terrors in die ach so aufgeklärte Gesellschaft (Staatsoper im Schiller Theater: „Freischütz“, Premiere 18. 1., 18 Uhr).

Der Mord an einem Hund ist unter anderem das Thema in Simon Stephens Stück „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“. Und dann spielen auch noch mathematische Obsessionen und ein 15-jähriger Junge eine Rolle. Wer wissen will, wie das genau zusammenhängt, muss ins Hans Otto Theater nach Potsdam fahren, und Stefan Ottenis Inszenierung des Stückes sehen, das auf dem berühmten gleichnamigen Roman des britischen Schriftstellers Mark Haddon basiert. (Hans Otto Theater, Potsdam: „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“, Premiere am 16.1., 19.30 Uhr).