Lafontaines Linke: vereint und gereizt

Nach den Unfällen der letzten Zeit rumpelt die Linke vom Einigungsprozess zum nächsten Wahltest. Auf der Klausurtagung der Bundestagsfraktion verlangen die Chefs Geschlossenheit. Über den Streit um seine Frau mag Lafontaine gar nicht mehr reden

AUS TEMPLIN JENS KÖNIG

„Die Linke wird nur dann Erfolg haben, wenn alle von uns begreifen, dass wir eine neue Partei sind“, sagt Gregor Gysi. Das ist einerseits natürlich eine Binsenweisheit. Andererseits hatte Fraktionschef Gysi Gründe genug, diesen Appell auf der Klausurtagung der Linksfraktion im brandenburgischen Templin immer und immer wieder an seine 53 Abgeordneten zu richten. Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg der Linkspartei war in den zurückliegenden Wochen durch ein paar Betriebsunfälle sowie durch Widerstände gegen den Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine ins Stocken geraten.

So standen im Fokus der Reden von Gysi und Lafontaine die verunglückte Wahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Hessen sowie die bis heute nicht beendete Debatte über die Familienpolitik der Partei, die sich an umstrittenen Äußerungen von Lafontaine und seiner Frau Christa Müller entzündet hatte. Die Botschaft der Spitzenleute war in beiden Fällen die gleiche: Geschlossen müsse die Partei sein, kompetent in politischen Sachfragen, professionell im öffentlichen Auftreten. Innerparteilicher Streit sollte nicht über die Medien, sondern intern ausgetragen werden.

Vor allem die Aufregung um Pit Metz, um seine überraschende Wahl zum hessischen Spitzenkandidaten genauso wie um seinen Rückzug am Mittwochabend, haben der Linkspartei vor Augen geführt, dass für sie neue, ungewohnte Zeiten angebrochen sind. Der frühere DKP-Mann hatte mit seinen Äußerungen über seine kommunistische Vergangenheit sowie den Schießbefehl an der Mauer nicht nur seine eigenen Genossen irritiert. Auch bei den politischen Gegnern der Linken und in den Medien hatte er Entrüstung ausgelöst, und das nicht nur in Hessen, sondern bundesweit. Mit diesem gewaltigen Druck war Metz hoffnungslos überfordert. In Tränen aufgelöst verzichtete er am Mittwoch auf seine Kandidatur. Den nächsten Spitzenkandidaten will die Bundespartei professionell beraten lassen.

Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der Linken, machte die neue Dimension für seine Partei in Templin deutlich: „Wenn uns der Einzug in den Landtag im Flächenland Hessen gelingt, ist der Durchbruch im Westen nicht mehr korrigierbar.“ Für den CDU-Regierungschef Roland Koch stehe die Alleinregierung auf dem Spiel. Auch SPD und Grüne fürchteten Stimmenverluste durch die Linke. Deshalb werde der Wahlkampf ungleich härter sein als zum Beispiel in Bremen, wo die Linke mit 8,4 Prozent der Stimmen ins Parlament einzog. „Sie werden alle gegen uns vorgehen“, sagte Bartsch.

Gegen Lafontaine gehen ohnehin schon alle vor. Deshalb reagieren besonders seine Getreuen so gereizt darauf, dass die Führungsfigur jetzt auch noch aus den eigenen Reihen angegriffen wird. Offiziell war der Streit um die Familienpolitik und Christa Müllers Satz vom „Zwang zur Fremdbetreuung“ in Templin kein Thema. Lafontaine weigerte sich, öffentlich auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Er wolle sich nicht an einer „Seifenoper“ beteiligen, sagte er. Hinter verschlossenen Türen ging es in der Generalaussprache aber hart zur Sache. Fraktionsvize Klaus Ernst warnte die Kritiker, sie sollten nicht das Geschäft des politischen Gegners betreiben. Lafontaine sei für die Linke viel zu wichtig. O-Ton Ernst: „Das ist ein Mann, der in diesem Land die Politik real verändert.“