Bewerber für die nächste Rolle

Nun also noch ein Schauspieler. In großer Not beruft sich die „Grand Old Party“ gerne auf ihren großen Präsidenten Ronald Reagan. Der war in seinem ersten Leben auch Schauspieler, allerdings ein eher bescheidener, Fred Thompson dagegen ist jetzt schon ein Star. Millionen US-Amerikaner kennen ihn aus der Fernsehserie „Recht & Ordnung“, gestern Nacht erklärte er sich offiziell zum Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur.

Fred Thompson hat in 65 Jahren schon viele Rollen gespielt – auch in Washington. Dort war er von 1994 bis 2002 Senator. Als herausragende politische Tat gilt Thompsons Rolle als Topjurist im Watergate-Ermittlungsausschuss 1973–74, der im Verhör seines Parteifreundes Richard Nixon jene Frage soufflierte, die zigfach wiederholt maßgeblich zum Sturz des Präsidenten führte: „Was haben Sie wann gewusst?“

Vorher und nachher arbeitete der Zwei-Meter-Mann mit dem unglatten Gesicht als Anwalt, mal für den Staat, mal auf eigene Rechnung, als Lobbyist verdiente er Millionen und war dabei thematisch nicht wählerisch, für Geld beriet er auch eine Abtreibungsorganisation – das besudelt nun sein Selbstporträt als „Rundumkonservativer mit Stil“. Zudem ist der Vater von fünf Kindern geschieden und lebt in zweiter Ehe mit einer 25 Jahre jüngeren Frau zusammen – schwere Kost für eingefleischte Konservative.

Für Thompson spricht, dass er aus den Südstaaten und kleinen Verhältnissen kommt, gegen ihn spricht nicht unbedingt, dass er nicht gerade als Arbeitstier bekannt ist. Als politischer Redner muss Thompson noch üben, wohl deshalb ist er bislang jeder direkten Konfrontation mit seinen Konkurrenten ausgewichen, worüber diese auch gestern Nacht zu acht in einer Talkshow versammelt genüsslich höhnten. Derweil saß Thompson allein in der „Tonight Show With Jay Leno“ und verkündete seine Kandidatur mit einer schrecklichen Stimme, die wahnsinnig gut ankommt – weil er Charisma hat, und darauf kommt es an.

Seine Fans bejubelten seine Kandidatur auf allen Kanälen. Gefragt vom seriösen National Public Radio, was sie an Thompson am besten finden, sagten etliche: „Er ist besser als die anderen“. Die Kandidatur bringt etwas frischen Wind in das glanzlose rechte Lager, ermattet von seinem amtierenden Präsidenten, dessen Namen sie möglichst selten erwähnen.

In seinem ersten Fernsehspot sagt Thompson: „Wir brauchen dringend Veränderung in Washington.“ Dann lächelt er fast wie Ronald Reagan und ruft nach „weniger Staat, weniger Steuern“. Den Irakkrieg hält er nach wie vor für die richtige Antwort auf 9/11 – aber das hat er schon länger nicht mehr laut gesagt. KARIN DECKENBACH