Al-Qaida bekennt sich zu Anschlag in Paris

FRANKREICH Bekennervideo im Internet aufgetaucht. USA betrachten Aqap als gefährlichste Untergruppe von al-Qaida. Premierminister Valls kündigt neue Antiterrormaßnahmen an. Überwachung auch im Gefängnis

Die europäische Polizeibehörde Europol geht von 3.000 bis 5.000 Kämpfern aus, die nach ihrer Rückkehr Anschläge verüben könnten. 20 bis 30 Prozent von ihnen sollen bereits zurückgekehrt sein

VON RUDOLF BALMER

PARIS taz | Eine Woche nach dem brutalen Anschlag auf die französische Satire-Zeitung Charlie Hebdo hat sich der jemenitische Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida dazu bekannt. „Es wurden Helden rekrutiert, und sie haben gehandelt“, erklärte einer der Anführer von Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap), Nasser Ben Ali al-Anassi, in einem am Mittwoch auf einer islamistischen Internetseite erschienenen Video.

Befohlen wurde der Anschlag nach den Worten al-Anassis von Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri. Die Führung der Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel habe das Ziel des Anschlags ausgesucht und Planung und Finanzierung übernommen. „Wir folgten dabei Anweisungen unseres obersten Generals“, sagte al-Anassi in dem Video.

In einem Telefongespräch mit dem französischen Fernsehsender BFMTV soll Saïd Kouachi vor der Erstürmung der Druckerei – wo sich die beiden Attentäter versteckt hatten – gesagt haben, er sei im Jemen nicht nur von al-Qaida ausgebildet, sondern auch geschickt und finanziert worden.

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel entstand 2009 aus dem Zusammenschluss der Al-Qaida-Ableger im Jemen und in Saudi-Arabien. Die USA betrachten Aqap als gefährlichste Untergruppe des Terrornetzwerks und gehen mit Drohnenangriffen gegen deren Anführer vor.

Als Reaktion auf die Anschläge hat die französische Regierung verschärfte Antiterrormaßnahmen angekündigt. Premierminister Manuel Valls sagte am Dienstag vor dem Parlament, die Geheimdienste sollten gestärkt und Islamisten im Gefängnis von den anderen Häftlingen getrennt untergebracht werden. „Frankreich ist im Krieg gegen den Terrorismus, den Dschihadismus und den radikalen Islamismus“, hob Valls hervor und fügte hinzu: „Frankreich ist nicht im Krieg gegen den Islam und die Muslime.“

Neben einer verschärften Kontrolle des Internets zur Bekämpfung islamistischer Propaganda forderte Valls vor allem die baldige Einführung eines europäischen Systems zur Fluggastdatenspeicherung. Das EU-Parlament solle dem endlich zustimmen. Frankreich werde im Laufe des Jahres die Überwachung der Reisebewegungen von Verdächtigen starten.

Der EU-Antiterrorbeauftragte Gilles de Kerchove warnte allerdings, ein neuer Anschlag lasse sich nicht „zu hundert Prozent“ verhindern. Eine konkrete Gefahr gehe von „ausländischen Kämpfern“ aus, die nach Syrien und Irak gegangen sind, sagte der Belgier. Die europäische Polizeibehörde Europol geht von 3.000 bis 5.000 solcher europäischer Kämpfer aus, die nach ihrer Rückkehr Anschläge verüben könnten. De Kerchove zufolge sind etwa 20 bis 30 Prozent bereits in die EU zurückgekehrt.

Vergangene Woche hatte Premierminister Valls eingeräumt, dass es „Lücken“ in der Überwachung gegeben habe. Vor allem seien die Dienste überfordert von der Zahl der Sympathisanten des radikalen Islamismus. Rund 1.400 seien nach Syrien oder Irak in den Dschihad gegangen oder beabsichtigten, dies zu tun.

Mehrere Reisen von Saïd Kouachi nach Jemen ab 2009 und ein längerer Aufenthalt dort hätten bei den französischen Polizeidiensten Alarm auslösen müssen, hieß es dagegen aus amerikanischen Geheimdienstquellen. Für Frankreich sei aber damals Jemen „keine Priorität“ gewesen und die Kontrollen der beiden Kouachi-Brüder seien wohl mit der Zeit etwas vernachlässigt worden, weil es brisantere und aktuellere Risiken gegeben habe.

Zu spät wurde auch entdeckt, welche langjährigen Verbindungen zwischen Chérif Kouachi und Amedy Coulibaly existierten. Beide standen im Gefängnis in Kontakt mit äußerst gefährlichen und verurteilten Organisatoren von Attentaten. (mit afp)