Flach kriechender Gemswurz

Von indianischen Nelken und Buchsbüschen erzählt der frisch restaurierte Barockgarten des Schleswiger Schlosses Gottorf. Dort gibt es allerdings nicht mehr, wie zu Lebzeiten von Herzog Christian Albrecht, 1138 Blumenarten, sondern nur noch 250

VON BIRTE STAUDE

Es ist wie ein Blick in die Vergangenheit. Vom Dach des Globushauses bei Schloss Gottorf in Schleswig blicke ich hinunter zu den akribisch angelegten Blumenbeeten. Rote und gelbe Farben dominieren die Szenerie dort unten. Vier Beete, in einem Halbkreis angelegt und durch kleine Wege voneinander getrennt, geben dem Besucher die Möglichkeit, mitten in sie hineinzutauchen. Eine der rotfarbenen Blumen ist die Studentenblume, die früher als indianische Nelke bezeichnet wurde. Gleich neben dem flach kriechenden gelben Gemswurz schmiegt sich die Studentenblume an die Buchsbüsche, die die Beete begrenzen. Wo jetzt das Globushaus steht, war vor 400 Jahren ein Lustschloss, in dessen Inneren sich der Globus, das erste Planetarium der Welt, befand. Vom Lustschloss ist nichts mehr übrig, der Globus ist aber rekonstruiert und seit 2004 Besuchern zugänglich.

In diesem Jahr präsentiert Gottorf ein weiteres Beispiel seiner Restaurationskünste: Am 22. August wurde der wieder hergestellte Barockgarten eingeweiht. Sechs Terrassengärten lassen einen nun wieder auf den Spuren des Herzogs Friedrich III. und seines Sohns Christian Albrecht wandern. 1625 beauftragte Friedrich III. den weit gereisten Gartenkünstler Johannes Clodius, einen einzigartigen Garten anzulegen. Berühmt war er durch die im Norden so schwierige Kultivierung von Orangeriepflanzen.

Doch dieser einst so prächtige Garten war noch vor einigen Jahren ein verwilderter grüner Fleck. Bis das Landesamt für Denkmalpflege 1981 den Terrassengarten wieder in Erinnerung rief: „Die in hundertjähriger Kasernennutzung stark reduzierte Residenzanlage wird seit 1949 als Sitz der wichtigsten Kulturinstitute des Landes wieder angemessen genutzt. Eine Rekonstruktion der Gartenanlage ist möglich“, hieß es. 1984 begann die Rekonstruktion. Archäologische Teams suchten die Umgebung dabei nach Funden ab, um alle Details originalgetreu nachzubauen.

Die wirkliche Wende nahm das Projekt aber 1999, als sich Herwig Guratsch, der neue leitende Direktor der Stiftung Landesmuseen Schleswig-Holsteins, des vergessenen Gottorfer Gartens annahm. Streng hielten sich die Restauratoren dabei an den Gottorfer-Codex – ein Kompendium, das der Künstler Simon Holtzbecker in Christian Albrechts Auftrag schuf: Jede einzelne Blume, die in seinem Garten blühte, sollte darin festgehalten werden. 1138 verschiedene Blumen beinhaltet dieser Codex, die Bilder sind noch immer erhalten. Heute gibt es dort allerdings nur noch 250 Blumenarten.

Geht der Besucher am Globushaus vorbei, das Bassin im Rücken, sieht er fünf weitere Terrassen. Zum Horizont hin verjüngt sich der Garten. Vier Hänge mit Stufen dienen als Brücke zwischen den Ebenen. Auf jeder Terrasse thront ein kleines, jeweils anders geformtes Bassin.

Die Hänge sind noch in ein sattes Grün getaucht, aber das liegt vor allem am kalten Sommer. Die Rasenfläche wendet sich aufgrund ihres Neigungswinkels genau zur Sonne, diese kann also leicht durch die Hitze verbrennen. Doch mit diesen Tücken der Natur mussten die Gärtner auch vor 400 Jahren umgehen. Sie haben es geschafft. Das werden auch ihre Nachfahren, die Landschaftsarchitekten von heute.

Schloss Gottorf ist von April bis Oktober täglich 10–18 Uhr geöffnet.