Bleiberecht nur für jeden Zweiten

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) hatte die Bleiberechtsregelung als humanitäre Lösung gelobt. Die Praxis in seinem Land sieht anders aus: Erst die Hälfte der Anträge ist bearbeitet, jeder zweite wird abgelehnt

Als „einmalige Chance, ein Angebot und eine Aufforderung an Ausländer zur Integration“, lobt Innenminister Ralf Stegner die Bleiberechtsregelung, die inzwischen als Bundesgesetz in Kraft ist. Damit sollen geduldete Migranten, die sich seit Jahren in Deutschland aufhalten, einen sicheren Status erlangen. Das Gesetz schaffe Ermessensspielräume, die von den Ausländerbehörden „im Sinne humanitärer Lösungen genutzt werden müssen“, erklärte Stegner.

Obwohl das Gesetz erst jetzt in Kraft getreten ist, gelten die Spielregeln bereits seit gut einem Jahr: Damals einigten sich die Innenminister der Länder auf die Grundlagen. Ralf Stegner war einer der Autoren des Entwurfs: „Schleswig-Holstein hat in der Integrationspolitik bundesweit eine Vorreiterrolle“, sagte er noch im Juli.

Allerdings: Die bisherigen Zahlen in Schleswig-Holstein sprechen keine so deutliche Sprache. 830 Menschen hatten sich bis zum Sommer um ein Bleiberecht beworben, 408 Fälle, also fast die Hälfte aller Anträge, wurden noch gar nicht bearbeitet. Bei den entschiedenen Fällen hält sich die Zahl der abgelehnten und der angenommenen Anträge fast die Waage. Insgesamt leben 3.100 Geduldete in Schleswig-Holstein, berichtet Claudia Langholz vom Flüchtlingsrat.

„Wir sehen nicht, dass viele von der Regelung profitieren“, sagt sie. Dass nur knapp die Hälfte der Anträge bearbeitet wurde, sei dramatisch. Der Flüchtlingsrat und andere Hilfsorganisationen haben von Anfang an kritisiert, dass die Hürden viel zu hoch seien. Der schwierigste Punkt ist, dass Migranten einen Job vorweisen müssen oder zumindest „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer künftig nicht von Sozialhilfe leben muss“, wie es in einer Erklärung des Ministeriums heißt. Das Problem dabei: Bisher durften Geduldete selten regulär arbeiten. Bei der Jobsuche kam ihnen in die Quere, dass die Agentur für Arbeit Deutschen den Vorrang gab.

Immerhin diese Vorrang-Regelung fällt nun: „Es ist eine Kann-Bestimmung, man muss sehen, wie es umgesetzt wird“, erklärt Langholz. „Wir fürchten ohnehin, dass die Ausschlusskriterien sehr restriktiv gehandhabt werden.“ESTHER GEISSLINGER