Länger pausieren, weniger düngen

UMWELT Eine neue Verordnung soll dazu führen, dass die Stickstoffbelastung pro Hektar deutlich sinkt

BERLIN taz | Die Bundesregierung hat das Überdüngungsproblem lange ignoriert. Nachdem die EU-Kommission jedoch ein Vertragsverletzungsverfahren wegen des schlechten Gewässerzustands in Deutschland eingeleitet hatte, legte die schwarz-rote Koalition im Dezember einen Entwurf für die Reform der Düngeverordnung vor. Im Februar will das Bundeskabinett sie beschließen.

Der Text, der dann noch den Bundesrat passieren muss, könnte dazu führen, dass manche Bauern weniger Stickstoff ausbringen. Erstmals sollen sie auch Gärreste aus Biogasanlagen bei der Berechnung der zulässigen Stickstoffmenge von 170 Kilogramm pro Hektar und Jahr mitzählen. Zudem dürften Landwirte ihre Äcker künftig während vier statt wie bislang drei Monaten nicht düngen.

Hoftorbilanz

Außerdem müssten sie Tanks haben, in denen sie mindestens so viel Gülle lagern können, wie ihre Tiere in sechs Monaten produzieren. Das soll verhindern, dass die Bauern aus Platzmangel den Dünger aufs Feld spritzen, obwohl die Pflanzen ihn gar nicht aufnehmen können. In besonders belasteten Regionen sollen die Länder schärfere Regelungen erlassen dürfen. Außerdem sollen große Betriebe ab 2018 genauer als bisher in einer „Hoftorbilanz“ ermitteln, wie viel Nährstoffe sie an die Umwelt abgeben.

All diese Schritte würden die derzeitige Stickstoffbelastung von jährlich 96 Kilogramm pro Hektar um 16 bis 31 Prozent senken, schätzen die Behörden.

Umweltschützer, Wissenschaftler und Wasserwerker glauben nicht, dass das ausreicht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) macht vor allem auf ein riesiges Schlupfloch aufmerksam: Die Landwirte könnten in der Nährstoffbilanz bis zu 50 Prozent der ausgebrachten Stickstoffmenge einfach weglassen – so hoch sind angeblich die „Stall- und Lagerungsverluste“. „Das ist wissenschaftlich nicht belegt“, sagt ein Wasserwerker.

Der BDEW fordert, auch für anorganische oder Mineraldünger Obergrenzen festzulegen – bisher werden nur organische Dünger wie Gülle gedeckelt.

Dem Bauernverband geht aber schon der Regierungsentwurf viel zu weit. Er befürchtet, dass die Bauern weniger Tiere halten müssten – und die Ernten an manchen Standorten geringer ausfallen. JOST MAURIN