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Macht der IrritationMusik mit Drumherum

Nils Schuhmacher

Manche vertreten die Ansicht, dass Musik – gerade in höllischen Zeiten – nicht geeignet ist, die Welt in die richtige Richtung zu bringen (Lenin). Andere vertreten die Position, dass sie nur dann zum Mittel der Wahl werden könne, wenn sie bis zur Schmerzgrenze irritiert (John Cage). „Das Konzert ist vorbei“, so fasst es Blixa Bargeld programmatisch zusammen, „das Publikum wendet sich ab, nimmt die Mäntel und geht nach Hause. Nur, dass es keine Mäntel und kein Zuhause mehr gibt“.

Solche Exemplare finden sich auch in den Ecken und Situationen, in denen man sie nicht erwartet hätte. So verantwortet den nachhaltigsten Eindruck, den Musik auf die Pegida-Teilnehmer in Dresden ausgeübt hat, derzeit ein Schlagerbarde. Allerdings hat sich Roland Kaiser ganz undiplomatisch für Dresden, aber gegen diese Leute ausgesprochen – und sie haben sich in Scharen als seine Fans, genauer: als seine enttäuschten Fans geoutet. Jetzt zirkulieren massenhaft Eintrittskarten für Konzerte der anstehenden Tour vom 16. bis 25. April auf dem freien Markt. Es kommt also nicht nur auf die Musik an, sondern auch auf das Drumherum.

Im Fall Lubomyr Melnyks gab es ein solches Drumherum viele Jahre kaum. Als er vor wenigen Jahren von einem kleinen Label „entdeckt“ wurde, fragte der musikalisch unbehauste kanadisch-ukrainische Pianist dann auch als Erstes, wo man denn gewesen sei, als er in den 1970er -ahren einen Musikstil entwickelte, den er „Continuous Music“ nannte. Mit dem Instrumentarium der Klassik hat Melnyk hier zu einem sehr frühen Zeitpunkt jene Brücken in die elektronische Popkultur geschaffen, die erst später in Ambient und Minimal zur Blüte gereift sind. Tempo, das hohe Maß an Verdichtung von Tönen und ineinander verschachtelten Melodien, schafft in seinen Stücken einen sinfonischen Klangraum, der zumindest dann irritierend genannt werden kann, wenn man sich vorher auf das leicht Wegkonsumierbare eingerichtet hat (Mi, 28. 1., 20.30 Uhr, Golem). In Dresden tritt er übrigens gar nicht erst auf. Auch eine Möglichkeit.

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