Therapie aus dem Kochtopf

GLÜCKSKEKSE Beim Essen geht es nicht nur um Sättigung, sondern auch um die Seele. Drei Kochbuch-Empfehlungen für alle, die nicht nur für ihren Magen kochen

■ Susanne Bodensteiner, Sabine Schlimm: „Seelenfutter. Rezepte, die glücklich machen“. Foodfotografie von Julia Hörsch. Gräfe und Unzer, München, 2013. 192 Seiten, Hardcover, 19,99 Euro (der Titel ist auch als E-Book erhältlich und kostet dann 15,99 Euro).

■ Susanne Bodensteiner, Sabine Schlimm: „Seelenfutter vegetarisch. Grüne Rezepte, die glücklich machen“. Foodfotografie von Mona Binner. Gräfe und Unzer, München, 2014. 192 Seiten, Hardcover, 19,99 Euro, (15,99 Euro für das E-Book).

■ Die Seelenfutter-Fachfrau Sabine Schlimm bloggt außerdem unter blog.punktkommatext.de/

■ Inge Fasan (Hg.): „Eat Hate Love. 192 Kochanleitungen bei Liebeskummer“. Illustriert von Linda Wolfsgruber. Mandelbaum Verlag, Wien, 2013. 233 Seiten, Hardcover, 24,90 Euro. (sim)

VON SIBYLLE MÜHLKE

Wenn wir tatsächlich nur essen würden, um satt zu werden, gäbe es wohl keine Ernährungsstörungen mehr und niemand bräuchte eine Diät, Übergewicht käme nicht vor. Außerdem wäre das Leben dann ziemlich öde. Denn Essen hat viel mit Emotionen zu tun: Wir essen aus Langeweile, aus Geselligkeit, aus Gewohnheit, weil wir uns aufmuntern oder belohnen wollen. Vor allem aber ist leckeres Essen eine der kürzesten Routen zu tiefem Behagen und Glücksgefühlen. Warum? Riechen und Schmecken sind besonders eng mit dem Emotions- und Erinnerungszentrum im Gehirn verbunden. Essen regt das Belohnungssystem an und stimuliert die Ausschüttung des „Glückshormons“ Dopamin – kurzum: wenn wir essen, produziert unser Hirn sich seine eigenen Drogen.

Bestimmte Nahrungsmittel – wie beispielsweise Pasta, Schoki, Bananen, einige Fischsorten oder Chilis – gelten als besonders effektive Stimmungsbooster. Ein Teller Lachspasta und schon läuft die Serotoninproduktion auf Hochtouren? So einfach ist es leider nicht. Über die genaue Wirkung der Mikronährstoffe auf unser Seelenleben gibt es noch nicht genügend Erkenntnisse. Und deswegen ist es auch unmöglich, bestimmte Glücksstoffe aus unserem täglichen Futter zu isolieren. Klar – und wissenschaftlich bewiesen – ist: Genuss ist das unabweisbar Wichtigste beim so genannten Comfort Food.

Noch so ein hochwirksamer Glücklichmacher ist Abwechslung. Sich selbst immer wieder die gleiche Trostmahlzeit zu servieren, die routiniert heruntergemampft wird, ist also ziemlich kontraproduktiv. Erfreulicherweise gibt es inzwischen eigens zusammengestellte Kochbücher, um das persönliche Repertoire selbsttherapeutischer Speisen zu erweitern.

Der Münchner Kochbuch-Verlag Gräfe und Unzer hat gleich zwei Bände im Programm, mit deren Hilfe man sich zuverlässig in bessere Laune kochen kann: „Seelenfutter“ und „Seelenfutter Vegetarisch“ (auch der nicht-vegetarische Band enthält übrigens eine ganze Menge fleischloser Gerichte – er eignet sich also gut für Mischhaushalte und Flexitarier). Beide Bücher sind ansprechend aufgemachte Hardcover. Für jedes Rezept gibt es eine Bild-Text-Doppelseite. Die Gerichte sind mundwässernd inszeniert und fotografiert, die Kochanleitungen sind übersichtlich und nachvollziehbar aufgebaut und mit Zusatz-Tipps angereichert, dazu kommen Tipps zur Vorratshaltung und Exkurse zu einzelnen Zubereitungsarten und Zutaten.

Ein hochwirksamer Glücklichmacher ist Abwechslung. Sich selbst immer wieder die gleiche Trostmahlzeit zu servieren, die routiniert heruntergemampft wird, ist ziemlich kontraproduktiv

Die – jeweils für zwei Bedürftige ausgelegten – Rezepte kurieren Verstimmungen unterschiedlichen Grades: Bei akutem Weltschmerz kriegt man vielleicht grade einmal Kartoffelbrei mit Apfelzwiebeln hin; wer bloß leicht verstimmt ist, kann auch Nugat-French-Toast an Himbeersorbet zubereiten und bringt sich so wieder in die Spur. Machbar erscheinen jedoch auch die etwas anspruchsvolleren Gerichte. So sind beide „Seelenfutter“-Bände nicht nur schön, sondern auch absolut alltagstauglich – sogar, wenn man sich unkompliziert gut fühlt.

Braucht man emotionale Stützen jemals nötiger als bei Liebeskummer? Wenn man verlassen wurde oder sich das Objekt der Begierde dauerhaft entzieht, gehören Sofa samt Kuscheldecke und Soap-DVD, Freundesgespräche zwischen Wehmut und Wut und eben Essenrituale zum klassischen Bewältigungsrepertoire. Zwischen fast vollständiger Nahrungsverweigerung, maßlosem Pig Out und dem Umstieg auf alkoholische Flüssignahrung sind alle Abstufungen möglich. Bei der Suche nach dem individuell besten Remedium sollte man sich auf seine Erfahrung und Intuition verlassen. Eine aktuelle Studie belegt übrigens, dass es für die erfolgreiche Verarbeitung erlittenen Liebesunglücks hilfreich ist, sich ausgiebig im eigenen Elend zu suhlen. Also mimen Sie keine Tapferkeit – kochen Sie lieber ihr ideales Herzschmerz-Menü.

Das Koch- und Lesebuch „Eat Hate Love“ – erschienen beim Wiener Mandelbaum Verlag – hilft dabei als Ablenkung und Kücheninspiration, sogar in der schlimmen Phase, in der man meint, nie mehr wieder essen zu können wie ein normaler Mensch. Der rund 230 Seiten starke Band bietet Labsal auf allen Ebenen: Die edle Ausstattung im Halbleinen-Hardcover ist ein ästhetisches Vergnügen, statt mit Foodfotos ist das Buch mit herrlichen Zeichnungen illustriert, buntes Vorsatzpapier und typophile Gestaltung heben die Stimmung. Die Kochanleitungen werden von geistvollen, oft witzig-bissigen Essays und Short Stories begleitet. Die Kapitel entsprechen den emotionalen Phasen einer Trennung (von Trost über Revanche bis zur Zurückeroberung), die Rezepte selbst variieren zwischen „leicht nachzukochen“ und „ambitioniert“ (man nehme: „eine mittelgroße Ziege“). Einige, wie etwa das gedünstete Gürteltier (!), dürften eher kulturhistorisch interessant sein. Ein österreichisch-deutsches Küchenglossar hilft begriffsstutzigen Piefkes auf die Beine.