Muss man über Religionen Witze machen?
Dietrich Brüggemann

STREITFRAGE „Charlie Hebdo“ spottet weiter: ein weinender Mohammed, Scherze über Dschihadisten. Nicht jeder findet das lustig

Die Streitfrage wird vorab online gestellt.

Immer dienstags. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der taz.am wochenende: www.taz.de/streit oder www.facebook.com/taz.kommune

Redaktion: Christine Luz, Christine Stöckel, Andreas Köhnemann, David Sahay

Fotos: David Klammer; Peter Grewer; tas Verlags- und medienhaus GmbH; privat (3)

Es wird oft behauptet, man dürfe über alles Witze machen, aber das stimmt nicht. Dinge, die der Mensch sich nicht frei aussucht, wie Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Penislänge, sind kein geeignetes Witzgelände. Frei gewählte Überzeugungen und Verhaltensweisen dagegen: Na klar! Immer feste druff! Ähnlich liegen die Dinge bei Öffentlichkeit, Machtausübung und Aggression: Je mehr davon man vorfindet, desto dringender sollte man Witze machen. Wie man es mit der Religion halten soll, kann sich mit diesem Baukasten jeder selber zusammenreimen.

Dietrich Brüggemann, 38, ist Regisseur und Drehbuchautor. Sein Film „Kreuzweg“ setzt sich mit den Problemen einer 14-jährigen Gläubigen auseinander

Ralf Husmann

Mars war früher ein Gott und ist heute ein Schokoriegel. Schwer zu sagen, wie die aktuellen Götter so enden, aber warum soll es ihnen besser gehen als dem römischen Kollegen? Unsterblichkeit hat noch nie ewig gehalten. Deswegen darf, ja muss man über alle Götter lachen. Und sämtliche Religionen. Sonst bleibt nur all das Elend, das sie seit jeher über die Menschen gebracht haben. Und da hört der Spaß dann wirklich auf.

Ralf Husmann, 50, ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Er hat die Serie „Stromberg“ erfunden

Kerstin Schürfeld

Meine Tochter, die 11 ist, hat es mir so erklärt: „Wenn einer immer böse Witze machen würde über jemanden, den ich liebe, also über dich zum Beispiel, Mama, dann würde ich dem irgendwann auch eins auf die Fresse geben!“ Das mit der Fresse habe ich beanstandet. Aber vielleicht sind Dinge, die Menschen heilig sind, wirklich das falsche Ziel für Spott.

Kerstin Schürfeld, 46, ist freiberufliche Illustratorin und kommentierte die Streitfrage auf Facebook

Mouhanad Khorchide

Gerade mit Witzen kann man charmant auf prekäre Verhältnisse hinweisen. Witze über Religionen fordern religiöse Menschen heraus, sich selbst kritisch zu reflektieren – was letztendlich im Sinne der Religionen ist. Schmähung gehört jedoch nicht zur Religionskritik und könnte Menschen verletzen.

Mouhanad Khorchide, 43, ist Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Seine „Thesen zur Barmherzigkeit“ sind unter Muslimen umstritten

Charlotte Knobloch

Wenn man solche Witze machen will, dann mit Respekt vor den Religionen. Witze können erfrischend sein, voller Wahrheit, aber auch beleidigend oder volksverhetzend. Unser Grundgesetz macht die Vorgaben. Wenn sich alle danach richten, wird jeder gerne Witze hören und auch lesen.

Charlotte Knobloch, 82, ist die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Sie war von 2006 bis 2010 Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland

Gesine Schwan

Man muss nicht, ich würde es auch nicht tun, um Missverständnisse zu vermeiden. Aber man muss Witze machen können, um die Meinungsfreiheit zu sichern.

Gesine Schwan, 71, ist Politikwissenschaftlerin und SPD-Mitglied. Mit zwanzig Jahren ließ sie sich katholisch taufen