„Potenzial zum Missbrauch“

DATENSCHUTZ Der Arzt Günther Egidi erklärt, warum er die neue „Gesundheitskarte“ mit Sorge sieht

■ 55, arbeitet in Bremen als Hausarzt und ist aktiv im Hausärzteverband.

Herr Egidi, als Hausarzt kritisieren Sie die elektronische Gesundheitskarte. Warum?

Günther Egidi: Die Karte ist unnötig wie ein Kropf. Die Weitergabe von Informationen würde auch von Patient zu Arzt und von Arzt zu Arzt funktionieren. Dazu bräuchte es lediglich einheitliche Praxis-PC-Systeme, wie in Dänemark oder Holland. Die Karte aber bedeutet einen zentralen Datenpool, in dem sämtliche Gesundheitsdaten der Bevölkerung liegen.

Wo ist da das Problem? So ein Pool ist doch ganz praktisch.

Aber auf Versicherungen übt er eine große Anziehung aus. Sicherheitsvorkehrungen, die früher vorgesehen waren – wie die zwölfstellige Pin-Nummer – sind schon jetzt abgeschafft. Dass es so schnell passiert, damit habe ich nicht gerechnet.

Was ändert die Karte für die Patienten?

Sie offenbart sensible Daten. Da steht zum Beispiel, ob jemand HIV-positiv ist oder an einer Psychose leidet – und da will ich den Arzt sehen, der den Patienten genau so behandelt, als hätte er die Infos nicht.

Profitieren Versicherte nicht auch von der Karte? Im Notfall kann so schnell die Blutgruppe ermittelt werden.

Die auf der Karte gespeicherte Blutgruppe oder die Einstellung des Patienten zur Organspende nützt bei einem Unfall nichts. Im Straßengraben kriegen Sie kein Blut. Die Sanitäter werden keine Lesegeräte dabei haben. Im Krankenhaus wird das Blut ohnehin jedes Mal neu getestet, um Verwechslungen auszuschließen.

Und was ist mit den Ärzten?

Abläufe werden verzögert, Rezepte müssen mehrfach autorisiert werden. Sie hat Null Zusatznutzen und das Potenzial zum ungeheuren Datenmissbrauch. Interview: JULIA ROTENBERGER

Podium zur Gesundheitskarte, 19 h, Arbeitnehmerkammer