Schweigend kommunizieren

In einem Workshop lernen Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern Pantomime und Clownerie, aber gleichzeitig auch Verständnis für andere Kulturen

Ein junger Mann mit Maske setzt sich auf einen Stuhl, zittert dabei. Seine Hand führt er zur Nase und schnieft. Die Zuschauer sind verunsichert. Was hat er da? Kokain? Was könnte er meinen?

„Das kannst du nicht machen“, schreit Elie Levy, „in der Türkei gibt es Schnupftabak, aber nicht in Deutschland.“ Elie Levy ist bekannter israelischer Pantomime. Im Rahmen des Festivals der Kulturen leitet er einen Workshop mit zwanzig Jugendlichen aus unterschiedlichen Kulturen, in dem ein Programm aus Pantomime, Slapstick und Clownerie einstudiert wird. „Pantomime ist keine internationale Sprache, es gibt zu viele kulturelle Unterschiede“, sagt Levy. „Aber es kann Leute verschiedener Kulturen zusammenbringen, denn es ist für alle eine neue Sprache“, sagt er.

Jugendliche aus allen sozialen Schichten nehmen an den Proben teil. „Am Anfang gab es Distanz, aber dann hat ein Albaner eine witzige kleine Aufführung gemacht und alle waren begeistert“, erzählt Levy von den Anfangsschwierigkeiten, wenn unterschiedliche Kulturen und soziale Prägungen aufeinander treffen.

Für die Jugendlichen gab es noch ganz andere Grenzen: „Am Anfang wollte ich nicht mit den ganzen kleinen Zehntklässlern zusammen sein“, sagt die Abiturientin Franziska Niedlich (18). Doch jetzt seien sie ein tolles Team, findet sie und lacht mit dem Afghanen neben sich, der zwar ungefähr gleichaltrig, „aber auch erst in der Zehnten ist“, wie sie sagt. Immerhin verbringen die Jugendlichen bis zu fünf Stunden am Tag miteinander. Das schweißt zusammen.

Ihre Beweggründe sind unterschiedlich: „Ich habe Theater als Prüfungsfach und wollte Erfahrung in Pantomime sammeln“, sagt Franziska. „Mein Kumpel hat mich mitgeschleppt, und dann haben wir einen anderen auch noch mitgenommen“, sagt der Afghane Sami Ajasi. Er und seine Kumpels sitzen auf der Bühne, rufen „Ausziehen, ausziehen“, als ein Mädchen ein Kostüm anzieht – sie spielen die Machos. Darüber lacht Levy noch, aber der temperamentvolle Mann ist nicht zimperlich, wenn ihm etwas nicht passt – zum Beispiel, als ein Mädchen ihm sagt, dass seine Interpretation der richtigen Verbeugung „total bescheuert“ sei. Trotzdem finden ihn die Teilnehmer „lustig“ oder auch „voll korrekt“.

Kulturelle Identität ist ein wichtiges Thema für Elie Levy – ist er doch selbst Israeli, studierte in Frankreich und lebt nun in Deutschland. „Ich habe meine Identität nicht verloren“, sagt er. Am Mittwoch feierte er das jüdische Neujahrsfest, mit seinen Kindern spricht er nur hebräisch. Seine deutsche Frau spricht nur deutsch mit ihnen, „sie können beides perfekt“, sagt Levy. Kinder an mehrere Kulturen heranzuführen, sei eine Bereicherung, er sieht das an seinen eigenen: „Sie sind viel offener als andere, gehen verständnisvoller auf andere zu.“

Auch wenn Levys Workshop-Teilnehmer jetzt aufgeregt sind, und das Programm nochmal und nochmal üben – das Wichtigste haben sie bereits gelernt. SHE

Das Ergebnis des Workshops ist am Freitag, den 14. September um 12. 30 Uhrim pädagogischen Hörsaal der Universität zu sehen