Nachhilfe in Versammlungsrecht

Riesebys Bürgermeister hat zwei Veranstaltungen gegen Neonazis platzen lassen. Das soll das Kieler Innenministerium zum Anlass genommen haben, ihn über das Versammlungsrecht zu informieren

VON BENJAMIN GEHRS

Zu seinem Ausflug nach Kiel mag Johann Kempe (CDU) nichts sagen. An einem „Arbeitskreis“ habe er teilgenommen, das war‘s. Der Bürgermeister von Rieseby war gestern gemeinsam mit weiteren Amtsträgern seines Heimatortes im Innenministerium von Schleswig-Holstein. Das bestätigte auf Nachfrage der taz Ministeriumssprecher Thomas Giebeler. In den Gesprächen sei es darum gegangen, wie mit dem zunehmenden Rechtsextremismus in Rieseby umzugehen sei.

Laut Giebeler habe es von Riesebyer Seite ein „Hilfeersuchen“ gegeben. Aus Insiderkreisen des Innenministeriums hieß es hingegen, die Riesebyer Gesandten seien vom Ministerium nach Kiel zitiert worden. Anlass war demnach die Verärgerung über Entscheidungen von Bürgermeister Kempe: Er hatte einer für gestern angesetzten Informationsveranstaltung zum Thema Rechtsextremismus den gemeindeeigenen Raum entzogen. Außerdem hatte er einem Antifa-Musikfestival gegen Rechts die Nutzung des örtlichen „Alten Sportplatzes“ untersagt.

Giebeler stellte klar, dass man „keinen Einfluss auf lokale Entscheidungen“ habe. Innenminister Ralf Stegner (SPD) halte es jedoch für grundsätzlich falsch, Druck von Rechts nachzugeben. Für Aufregung hatte vor einigen Tagen ein rechtsextremistisches Flugblatt gesorgt, in dem die Verfasser dazu aufriefen, keine Räume für die Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. Bei dem Gespräch im Innenministerium sei auch ein Experte des Versammlungsrechtes anwesend gewesen, sagte Giebeler. Er habe die Besucher aus Rieseby über die Bedingungen einer Ablehnung in Kenntnis gesetzt.

Rieseby war zuletzt wegen seiner rechtsextremen Szene in den Schlagzeilen. Die NPD und die „Freien Nationalisten Eckernförde“ werben seit einigen Jahren mit Flugblättern, Musik-CDs und Aufklebern insbesondere bei der Dorfjugend für sich. Die NDR-Reportage „Ein Dorf zeigt Mut“ hatte kürzlich den Widerstand der Riesebyer gegen die Neonazis dokumentiert. Am vorvergangenen Wochenende demonstrierten 500 Menschen im Ort gegen Rechts.

Der Journalist Andreas Speit, der auf der Infoveranstaltung eigentlich zu Strategien der NPD in Schleswig-Holstein referieren wollte, sprach nun auf einer Kundgebung unter freiem Himmel „gegen Nazistrukturen und Friedhofsruhe in Rieseby“. Der grüne Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, der vor Ort war, sagte, dass die Veranstaltung zumindest geduldet werde und freute sich über den zivilen Ungehorsam.