piwik no script img

KONTAMINIERTES SUSHIHaste mal 50 Cent?

Die kann ruhig noch ein bisschen hungern

Ich sitze bei einem Japaner auf dem Kottbusser Damm und bestelle kontaminiertes Sushi. Eigentlich nur Sushi, ohne Kontaminierung, aber die soll es ja angeblich gratis dazugeben. Und noch eigentlicher bestelle ich weder Sushi noch kontaminiertes Sushi, sondern die 14. Sechs Stück. Vor dieser 14 sitze ich also, ein bisschen in der Erwartung, erleuchtet zu werden, was natürlich Quatsch ist, aber man passt sich der Gegend an, in der man sich gerade befindet. Und wenn ich mich auf dem Kottbusser Damm befinde, dann gehen mir eben solche völlig unnützen Gedanken durch den Kopf. Und auf dem Kottbusser Damm wiederum befinde ich mich, weil ich ein kleines Gegengift zum „Graefekiez“ brauche, in dem jeder zweite die Grünen wählt und sogar der neben mir wohnende Müntefering einer Minderheit angehört.

„Haste mal 50 Cent? Ich hab heute noch nichts gegessen“, sagt eine Frau, die ich nicht für eine Bettlerin halten würde, wenn sie nicht betteln würde. Sie wiederholt ihren Spruch in erstaunlicher Geschwindigkeit, als wollte sie sich niemanden der zahlreich an ihr vorbeihastenden Passanten durch die Lappen gehen lassen. Ich bleibe nicht verschont. Ich habe kein 50-Cent-Stück, und deshalb blicke ich kurz auf und bewege den Kopf zu einem Nein. „Biste ’n Spanner, oder was?“, sagt sie und geht weiter. Das gibt mir zu denken, aber mir kommt keine Erleuchtung.

Jetzt kommt sie zurück. Ich gehe in Deckung. Sie steht vor einer Haustür und drückt auf eine Klingel. Ein älterer Türke macht die Tür auf. „Wie kommt man denn hier rein, wenn man in dem Hotel hier wohnen will“, fragt die Bettlerin. Kaum hat der Türke den Mund aufgemacht, zischt sie: „Mit Ausländern will ich ja jetzt echt nix zu tun haben“, und verschwindet ein weiteres Mal. Gott sei Dank hatte ich keine 50 Cent dabei. Die kann ruhig noch ein bisschen hungern.KLAUS BITTERMANN

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen