ICH BIN EIN PEGIDA
: Ein unbegabter Schüler in der Moschee

VON MIGUEL SZYMANSKI

Nach drei Wochen Urlaub im sonnigen Portugal verabschiede ich mich von den Strandspaziergängen am Atlantik, vom täglichen Bummel auf dem Fischmarkt und den Orangenbäumen der Plantage meiner Eltern. Es war eine schöne Zeit in der Heimat. Schade nur, dass die meisten meiner portugiesischen Freunde, Schulkollegen und Kommilitonen nicht mehr da sind. Sie sind ausgewandert, nach Angola, Brasilien oder nach Deutschland wie ich.

Das Schöne an Portugal, das bis vor ein paar hundert Jahren maurisch-arabisch war: Auch wenn die Freunde nicht da sind, man kommt mit jedem sofort ins Gespräch. Das nicht so Schöne daran zurzeit: Nach wenigen Minuten erzählen sie mir ihr Leid.

Die Nachbarin, die kein Geld mehr für Medikamente hat. Der alte Angler am Strand, der noch bis vor kurzem ein Restaurant betrieb, in den letzten drei Krisenjahren seine ganzen Ersparnisse nach und nach in den defizitären Laden gesteckt und an seinem Traum festgehalten hat – jetzt hat er den letzten Angestellten entlassen, sein Lokal schließen müssen und versucht, von 350 Euro Rente im Monat zu leben.

Importschlager Rentner

Das große Hotel im benachbarten São Brás de Alportel, das im Namen christliche und arabische Kultur vereinbart, wird jetzt ein Altenheim für dänische Rentner, erzählt mir die Frau vom Zeitungskiosk. Überall an der Algarve sehe ich alte Menschen aus Nordeuropa, die hier leben oder überwintern. Jahrhundertelang war Portugal von Faro bis nördlich von Lissabon arabisch, ein Teil des Kalifats auf der Iberischen Halbinsel. Die Mauren wie zuvor die Römer besetzten und prägten das Land, brachten Poesie und Lebenskunst. Es ist eine offene, tolerante, gastfreundliche Kultur, die nichts mit den Wahhabiten Saudi-Arabiens gemein hat, den feudalen Geschäftsfreunden und Öllieferanten des Abendlandes, die auch ihren von Petrodollars finanzierten Fundamentalismus in die ganze Welt exportieren.

Jetzt wandert die Jugend aus, und dänische oder deutsche Rentner besetzen das Land. Mal schauen, was daraus wird. Wir haben bisher schon Schlimmeres überlebt: 40 Jahre Salazar-Diktatur oder vier Jahre deutsches Spardiktat.

Als Reporter und Tourist war ich zwanzig Jahre lang fast jedes Jahr in Marokko (es ist ja gleich um die Ecke). Ich war so oft dort, dass ich beschloss, die Sprache zu lernen. In der Moschee in Lissabon war ich ein sporadischer Arabischschüler des netten, weltoffenen Sheik Munir, eines an Allah glaubenden Portugiesen aus Mosambik mit indischen Vorfahren. Im kleinen Hörsaal saßen immer zwei Männer in schlecht sitzenden Anzügen und machten Notizen. Die Geheimdienstler bekamen statt Hasstiraden von Herrn Munir Vokabeltests aufgebrummt.

Wenn ich in Marrakesch oder Casablanca bin, fällt mir immer an jeder Straßenecke und bei jedem Gespräch auf, dass ich als portugiesischer Südeuropäer – trotz Großeltern aus Pilsen, Stuttgart und Barcelona – kulturell mehr mit Arabern und Nordafrikanern gemeinsam habe als mit Dänen oder Deutschen. An einem durchschnittlichen Tag in Schwaben, dorthin hat es mich letztes Jahr verschlagen, als ich aus Portugal auswandern musste, habe ich mehr Intoleranz gespürt als in drei Wochen an der Algarve. Schade, dass die von der schwäbischen Hausfrau inspirierte deutsche Politik seit vier Jahren dabei ist, mein Geburtsland und außer Portugal auch Spanien und Griechenland zu ruinieren und die Menschen ins Elend zu treiben.

Wir Kulturchristen haben schon ein merkwürdiges Verständnis von Nächstenliebe. Ja, ich bin Pegida: ein politischer Europäer gegen die Idiotisierung des Abendlandes. Aber ich werde Ihnen meinen Glauben nicht aufdrängen. Aus dem Alter der Kreuzzüge bin ich raus.