Sex in Zeitungen: Weil es ein Bedürfnis wie Essen und Trinken ist

Sexplatzierung: Was haben Ingmar Bergman, der Senator von Idaho und Urmenschen gemeinsam? Sie alle hatten „Sex“ in deutschen Zeitungen: Im Feuilleton erinnert sich Bergmans Kamermann daran, wie er sich mit dem Regisseur über das Liebesleben der Schauspieler ausließ. Das Politikressort klärt über die „Toiletten-Affäre“ des Senators auf. Im Wissenschaftsteil erfährt der Leser, dass schon Urmenschen musizierten - was ähnliche Wirkung haben soll wie Sex. „Sex geht jeden an“, sagt Hans-Bernd Brosius, Kommunikationswissenschaftler an der Universität München. „Sex ist ein Bedürfnis wie Essen und Trinken - nur nicht so leicht zu befriedigen.“ Entsprechend groß sei das Interesse daran. Das wissen Zeitungsmacher schon lange. Eine Stichprobe in vier Regional- und Lokalzeitungen ergab: In einer Woche standen Begriffe wie „Sex“, “sexuell“ oder „Sexualität“ im Schnitt fünfmal in der Zeitung. Die Wörter tauchten auf in Berichten über Museumsausstellungen, Männervereine und Pokern. Die beiden größten überregionalen Zeitungen druckten „Sex“ öfter. Innerhalb von sechs Tagen stand es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung elfmal, in der Süddeutschen Zeitung doppelt so häufig. Die Wirtschaftsredakteure hielten sich dabei raus. Umso fleißiger waren die Feuilletonisten: Sie tippten in einer Woche durchschnittlich neunmal „Sex“ in ihre Artikel.

Sexrecherche: Auf der Suche nach Sexthemen rufen Journalisten immer wieder bei Christoph Ahlers an. Der freie Mitarbeiter am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Humboldt-Uni teilt die Anrufer in drei Gruppen ein: Boulevardzeitungen, Frauenzeitschriften und seriöse Tages- und Wochenzeitungen. Boulevardjournalisten fragten, ob Petting vor Erkältungskrankheiten schütze, oder erkundigten sich nach der schlimmsten Sexualstraftat. Genaue Erklärungen seien nicht erwünscht. Für den Sexualtherapeuten zeigt sich auf dem Boulevard die “männliche Seite der Sexualität“. „Da geht es beispielsweise um Penislänge und Busengröße, um Lust und Gewalt“, sagt Ahlers. Um die “weibliche Seite“ kümmerten sich eher Frauenmagazine wie Brigitte oder Freundin. „Sie schreiben über Kommunikation in der Beziehung und die Gestaltung der eigenen Partnerschaft“, sagt er. Seriöse Zeitungen gingen an Sex am liebsten wissenschaftlich heran, ergänzt Dagmar Hoffmann, Medienwissenschaftlerin an der Universität Siegen. Sie berichteten über neue Studien oder beklagten die Pornografisierung der Gesellschaft. Petra Kilian