Frauen machen sich fit

FITNESS Berlinweit einzigartig und mit Vorbildcharakter: Seit dem Wochenende gibt es im Freizeitforum Marzahn eine Frauensporthalle. Damit folgt der Bezirk dem Wunsch nach einem geschützten Raum. Die Kritik daran entzündete sich im Vorfeld an dem Ort und den Kosten

■ Außer freitags und samstags ist die Frauensporthalle im Freizeitforum Marzahn Frauen und Mädchen vorbehalten.

■ Einen Schwerpunkt setzt das Hallennutzungskonzept im generationenübergreifenden Training. Außerdem hoffen die Betreiberinnen auf viele Besucherinnen aus den russisch- und vietnamesischsprachigen Communities.

■ Am Samstag, den 24. Januar, lädt der Fit und Fun Marzahn e. V. zu einem Tag der offenen Tür. Zwischen 10 und 18 Uhr gibt es die Möglichkeit, probeweise an den verschiedenen Angeboten der Frauensporthalle teilzunehmen.

■ Auch auf öffentlichen Sportplätzen Berlins sind Frauen und Mädchen unterrepräsentiert. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf reagierte darauf in den letzten Jahren mit speziellen Sportangeboten nur für Frauen. (ru)

VON HILKE RUSCH

Dilek Kolat (SPD) ist begeistert. Ein Highlight der Stadt sei die neue und berlinweit einzige Frauensporthalle, sagte die Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration am Samstag in ihrer Rede zur Eröffnung der Halle im Freizeitforum Marzahn. „Ich setze darauf, dass von der Halle eine Signalwirkung ausgeht“, so Kolat. Denn gerade einmal 26 Prozent der Berliner Sportvereinsmitglieder seien weiblich, damit ist die Stadt gegenüber dem bundesweiten Durchschnitt von 40 Prozent weit abgeschlagen.

Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf liegt der Frauenanteil mit 30 Prozent zwar höher, Handlungsbedarf sah man im Bezirk dennoch. 2012 wurde die Alice-Salomon-Hochschule (ASH) beauftragt, Frauen nach den Gründen für ihre Zurückhaltung in Sportvereinen zu befragen, und der Bezirk organisierte 2012 und 2013 zwei Frauenfitnesstage. Die Veranstaltungen stießen auf ein überwältigendes Interesse, sagt Snežana Sever, Gleichstellungsbeauftragte des Bezirks: „Vor allem ältere Frauen waren da. Viele hatten seit ihrer Schulzeit keinen Sport mehr gemacht.“

Frauen sind aber, das ergab die Befragung der ASH, mitnichten Sportmuffel. Viele ziehen Fitnessstudios den klassischen Vereinen vor, die Gründe dafür sind vielfältig: Es sind die oft schmutzigen und sanierungsbedürftigen öffentlichen Hallen, die einsame Lage der Sportstätten, die dürftige Beleuchtung der umliegenden Wege oder eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Nicht zuletzt besteht bei vielen älteren und muslimischen Frauen der Wunsch, in einem geschützten Rahmen unter Frauen zu trainieren.

Für Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) ist die Einrichtung der Halle deshalb auch eine Frage der Gerechtigkeit: „Das öffentliche Sportangebot muss attraktiv für alle sein“, sagte er bei der Eröffnung und richtete sich damit auch an die kritischen Stimmen. Denn im Vorfeld gab es Zweifel, ob eine Frauensporthalle überhaupt notwendig sei, Widerstand regte sich besonders dagegen, dass die Wahl auf die Sporthalle im Freizeitforum Marzahn (FFM) fiel, die bislang von einem privaten Betreiber genutzt wurde. Mit einer Petition setzten sich AnwohnerInnen dafür ein, dass die Halle weiterhin von allen genutzt werden kann.

Deswegen zeigte sich Stefan Komoß am Samstag auch stolz auf den Kompromiss, der am Ende der Auseinandersetzung stand: Freitags und samstags werden die Räume auch gemischtgeschlechtlichen Gruppen zur Verfügung stehen. Und die Gruppen, die die Halle bislang nutzten, sind laut Bezirks andernorts untergekommen.

Betreiber der Halle ist nun der eigens gegründete Verein „Fit und Fun Marzahn“. Eine bislang nicht genutzte Fläche im FFM soll im Laufe des Jahres zu einem Fitnessraum umgebaut werden, der dann auch rollstuhlgerecht sein soll. Die Baumaßnahmen sind mit 198.000 Euro veranschlagt. Rollstuhlgerechte Toiletten gibt es derzeit nur im Foyer des FFM und im angrenzenden Schwimmbad. Die Sporthalle selbst ist bislang nur durch eine mobile, sehr steile Rampe zu erreichen. Auch hier sind Baumaßnahmen geplant, allerdings frühestens 2016 – sollte es nicht an der Finanzierung scheitern.

Sarah Fingarow, Sprecherin für Gleichstellungspolitik bei den Linken im Bezirk, hält den Umbau für viel zu teuer. Sie fürchtet, dass das Geld an anderer Stelle fehlen wird: „Es gibt eine Menge heruntergekommener Schulsportstätten, wir haben 36 Millionen Euro Sanierungsstau, einige Hallen sind sogar gesperrt“, kritisiert sie. Fingarow hätte es deshalb für sinnvoller gehalten, einen anderen Standort zu wählen und nach den Wünschen der Frauen umzugestalten: „Man hätte ja auch einfach Geld in die Beleuchtung von Wegen stecken können, das wäre weniger kostenintensiv gewesen“, sagt sie. Auch die zusätzlichen 65.000 Euro für den Umzug eines Kampfsportvereins, der einen Bereich der jetzigen Frauensporthalle nutzte, sprechen für Fingarow gegen das FFM. Der Klub wurde nun in einem anderen Teil des FFM untergebracht, der vorher saniert werden musste. Für Fingarow ist auch schleierhaft, weshalb der Verein Fit und Fun jährlich 80.000 Euro als Aufwandsentschädigung für den Betrieb der Halle erhalten wird.

„Ich setze darauf, dass von der Halle eine Signalwirkung ausgeht“

FRAUENSENATORIN DILEK KOLAT

Vom Bezirk heißt es dazu, wenn ein Verein für eine Sportstätte die alleinige Schlüsselverantwortung habe, sei eine solche Entschädigungen üblich. Der hohe Betrag in diesem Fall habe damit zu tun, dass Fit und Fun auch für die Werbung und Projektentwicklung zuständig ist. Auch die Kosten für den Umzug des Kampfsportvereins hält der Bezirk für gerechtfertigt: Eine bislang nicht genutzte Fläche im FFM werde damit belebt, für eine Nutzung hätte diese ohnehin saniert werden müssen.

Am Wochenende hat die Frauensporthalle offiziell ihren Betrieb aufgenommen, ein Schwerpunkt liegt auf dem generationenübergreifenden Sport. Einzelne Angebote gibt es für 4 Euro, der Monatsbeitrag für eine Mitgliedschaft liegt bei 15 Euro und soll damit eine Alternative zu den teureren privaten Fitnessstudios sein. Hauptsächlich Gesundheits- und Fitnesskurse stehen auf dem Programm, aus dem Rahmen fallen Thaiboxen und ein Selbstverteidigungskurs. Denn auch das hatte die Untersuchung ergeben: Die Befragten fühlten sich von den Angeboten in den bestehenden Sportvereinen häufig nicht angesprochen.

Claudia Zinke, Vorsitzende des Vereins für Sport und Jugendsozialarbeit, unter dessen Dach sich Fit und Fun befindet, würde sich aber freuen, wenn weitere Sportarten wie Fußball, Basketball oder Badminton hinzukämen, auch wenn in der Halle mit ihrer Fensterfront keine Wettkämpfe ausgetragen werden dürfen. Und für die Gleichstellungsbeauftragte Sever ist auch vorstellbar, dass der Kreis der Nutzer*innen erweitert wird. „Wenn sich herausstellt, dass es auch bei trans*- oder intergeschlechtlichen Menschen einen Bedarf gibt“, so Sever, „können wir sicher darauf eingehen.“