Am Ende kommen Journalisten

Die Eröffnung des ersten McDonald’s in Kreuzberg ist ein Medienhype: Journalisten treten sich auf die Füße, um Proteste zu sehen, aber die bleiben aus. Ebenso der Ansturm der Schüler von nebenan

VON SVEN BEHRISCH

Es ist Sonntag, und der Herbst zieht ein an der Skalitzer Ecke Wrangelstraße. Von den Bäumen purzeln die Kastanien, und goldgelb leuchtet das Logo vor dem grau und rostrot gefärbten Fastfood-Restaurant. Das heißt McDonald’s und wurde am Freitag von den Schülern des Oberstufenzentrums Handel I als erweiterte Kantine jenseits der Straße stürmisch begrüßt.

Das Aushängeschild des Fleischbraters hat am Samstag sichtbare Kratzer bekommen. Kastanien, von rebellischen Fäusten geschleudert, gruben zwei kleine Dellen in das Blech unter dem gelben M – ein Doppelpunkt, weit sichtbar für jeden Passanten: Die McDonald’s-Revolte geht weiter. Oder nicht?

Am Tag der Eröffnung am vergangenen Freitag war von dem angekündigten Protest jedenfalls nichts zu bemerken. Vier Demonstranten riefen tapfer: „Kein McDonald’s in Kreuzberg, wir wollen kein McDonald’s in Kreuzberg, nur die Schüler wollen McDonald’s in Kreuzberg.“ Auf das Grüpplein stürzte sich die nach Krawall dürstende Journalisten-, Fotografen- und Kamerameute – dankbar für ein bisschen Aktion.

„Wollen Sie vielleicht rein?“, fragt einer der ungezählten PR-Beauftragten, die mit gelben Krawatten und dem Gratiskaffee im Anschlag das Geschehen kontrollierten. Wenn die Chefin des Hauses, Belgin Güzel, um kurz nach zehn mit strahlendem Lächeln die Glastür aufschließt, sollte ja wenigstens ein Kunde reingehen – für die Bilder. Gäste gab es nicht, und gegenüber war noch Schule. „Nee, ich will nur gucken“, sagte die befragte Frau und fing im nächsten Moment im kleinen Chor der Protestler an zu rufen: „Wir wollen kein McDonald’s in Kreuzberg!“

Die Nervosität des Managements war das deutlichste Zeichen für die Furcht, da könnte noch was Schlimmeres kommen. Fragen wurden praktisch nicht beantwortet. Eine Dame „aus dem regionalen Unternehmensbereich“ wollte nicht einmal ihren Namen nennen: „Da bitte ich Sie, mit unserem Unternehmenssprecher, Herrn Schramm, zu reden.“ Aber ob sie selbst bei früheren Gesprächen mit den Bürgerinitiativen zugegen war, könne sie vielleicht beantworten: „Auch das kann Ihnen der Herr Schramm sagen.“ Herr Schramm sagt dann, er erwarte keine weiteren Gegenaktionen, das Gelände werde nicht stärker geschützt als andere Filialen in Berlin auch.

„Ein bisschen gemischte Gefühle haben die aber schon bei McDonald’s.“ Jakob Holl * müsste es wissen. Er hat in den letzten fünf Wochen jeden Tag als Handwerker in der Filiale gearbeitet. „Deshalb lassen die jetzt sicherheitsmäßig auch nichts anbrennen – nur die Burger haben beim Probekochen gebrannt.“

Die Burger. Kurz nach elf kommen die ersten Gäste von gegenüber, die Schulpause beginnt eigentlich erst zwanzig nach. Um halb zwölf reicht die Schlange bis zur Tür. Zwanzig vor zwölf geht der Unterricht weiter, und das Lokal ist so leer wie zuvor. „Die haben den Laden ja nicht aus Zufall vor unsere Schule gestellt“, sagt Viktoria, werdende Einzelhandelskauffrau und 21 Jahre alt. Den McSundae-Eisbecher hält sie noch in der Hand, als sie mit dem Pausengong zur Schule läuft. Anne-Marie, 18, sieht sich’s aus der Ferne an. „Ick hab mein Essen bei. Eine Stulle: Salami und Frischkäse drunter.“ Den Protest gegen die McDonald’s-Filiale versteht sie genauso wenig wie ihre burgerbegeisterten Mitschüler.

„Das ist doch nur ein stinknormaler McDonald’s, und das ist eine scheißuninteressante Eröffnung“, sagt Kemal, 18, und blickt auf das frisch gestrichene Gebäude. „Aber lang sieht das nicht mehr so aus.“

* Name geändert