Der neue Chef setzt auf seine Autoren

LEITUNG Jonathan Landgrebe: Nicht Technologie entscheidet

BERLIN taz | Jonathan Landgrebe war schon in den vergangenen Jahren der Mann, zu dem man von wohlmeinenden Geistern gern hingeschoben wurde, wenn es darum ging zu zeigen, dass der altehrwürdige Suhrkamp-Verlag eine Zukunft hat. Bei all den Auseinandersetzungen und Seltsamkeiten der letzten Zeit musste man als Beobachter ja gelegentlich seine Zweifel hegen.

Bei Landgrebe, 37 Jahre alt, so belesen wie (was durchaus nicht für alle Suhrkamp-Mitarbeiter gilt) in der Realität geerdet, konnte man sich dann aber immer wieder gut den Eindruck abholen, dass es immer noch so etwas wie verlegerische Vernunft bei dem so renommierten wie wichtigen deutschen Verlag gibt. Und in den langjährigen Gerichtsschlachten mit dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach hat Landgrebe letzten Endes auch gehörige Nerven bewiesen.

Der neue Verleger hat einen bildungsbürgerlichen Hintergrund, studierte BWL und tummelte sich dann erst einmal im Internet. Die Legende besagt, dass irgendwann einem Suhrkamp-Mitarbeiter auffiel, dass sie jemanden brauchen, der dem Verlag einmal das Internet erklärt. Dieser Job fiel Jonathan Landgrebe zu. Ulla Unseld-Berkéwicz war so beeindruckt, dass sie ihm bald einen festen Job anbot, seit 2008 arbeitet Landgrebe, neben Thomas Sparr, als Geschäftsführer des Hauses.

Es wäre falsch, ihn nur als „Ritter“ der Altverlegerin zu sehen – solche Begriffe kursieren in der Branche. Vielmehr ist Landgrebe jemand, der Berkéwicz auch unangenehme Wahrheiten sagen konnte und überhaupt Ratio in die Geschäftsführung brachte.

Zum Geschäftsleitungsgremium – mit Landgrebe an der Spitze – werden auch die Unternehmenssprecherin Tania Postpischil sowie der Cheflektor Raimund Fellinger gehören. Fellinger steht für die Kontinuität des Hauses, das inzwischen in Berlin angesiedelt ist, aber einen Großteil seiner Geschichte aus Frankfurt am Main mitgenommen hat. Autorenlegenden wie Thomas Bernhard, Uwe Johnson und Peter Handke wurden und werden von Fellinger betreut, seit 1979 ist er bei Suhrkamp.

Befragt über das Schicksal des Buches in den Zeiten der Digitalisierung, sagte Landgrebe in einem Interview: „Ich glaube nicht, dass die Technologie die Zukunft solcher Verlage wie Suhrkamp entscheiden wird. Wenn irgendetwas das entscheiden wird, dann die Qualität des Schreibens derjenigen Autoren, die wir veröffentlichen und in ihrer Arbeit unterstützen.“

Landgrebe, der nun in den großen Schuhen der Verlegerlegende Siegfried Unseld steht, hat recht. Man soll sich nicht irremachen lassen, weder von technologischen Verheißungen noch von Schwanengesängen. Letztlich entscheidet die Qualität der Bücher über die Zukunft von Suhrkamp und damit ein Stück weit über die deutsche Geisteslandschaft im Ganzen. DIRK KNIPPHALS