Der Dreck muss weg

LÄNDERSTREIT Der Senat soll sich bei der Lausitzer Braunkohleförderung einschalten – fordern Berlins Abgeordnete einstimmig

■ Der vom schwedischen Staatskonzern Vattenfall angekündigte Rückzug aus der Braunkohlensparte wird konkreter. „Wir haben eine Investmentbank eingeschaltet“, teilte ein Sprecher in der vergangenen Woche mit. Diese solle den Verkaufsprozess beratend begleiten. Unter anderem werde ein Angebotsprospekt erstellt.

■ Im Oktober hatte der Energieriese die Verkaufspläne publik gemacht. Er betreibt in der Lausitz fünf Braunkohlegruben – drei in Brandenburg, zwei in Sachsen – und mehrere Kraftwerke. Diese Aktivitäten werden jetzt von Vattenfall Mining & Generation als separate Einheit geführt, die im Frühjahr verkauft werden könnte.

■ Die Braunkohle spaltet die Menschen in der Lausitz: Einerseits hängen tausende Arbeitsplätze daran, andererseits müssen ganze Dörfer den Baggern weichen. Erst vor zwei Wochen protestierten knapp 1.000 Menschen mit einem Sternmarsch gegen die geplanten neuen Tagebaue. (taz)

VON CLAUDIUS PRÖSSER

In Sachen Braunkohle wächst der Druck auf die Brandenburger Landesregierung: Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich kritisch zum geplanten Tagebau Welzow-Süd II positioniert und den Senat aufgefordert, das Thema im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung auf die Tagesordnung zu setzen. Die Fraktionen im Potsdamer Landtag haben darauf mit dem Vorschlag einer gemeinsamen Sitzung in der Lausitz reagiert.

Die Initiative für den Appell an den Senat ging von der Grünenfraktion aus. Eine von ihr formulierte Beschlussempfehlung wurde erst vom Umweltausschuss und am vergangenen Donnerstag auch vom Plenum verabschiedet. Sie fordert den Senat auf, die gemeinsame Landesplanungskonferenz von Berlin und Brandenburg einzuberufen und „all seine rechtlichen und politischen Möglichkeiten zu nutzen, die Erschließung des Braunkohletagebaugebiets Welzow-Süd II zu hinterfragen“. Die Landesplanungskonferenz, ein in Deutschland einzigartiges Gremium, wird aus den beiden Regierungschefs sowie den für Raumordnung, Wirtschaft, Stadtplanung und Verkehr zuständigen Senatoren bzw. Ministern gebildet.

Dafür einen Applaus

Ursprünglich war im Antrag der Grünen von „verhindern“ statt „hinterfragen“ die Rede gewesen – das erschien allen Beteiligten dann aber doch zu explizit. Die Kluft, die sich bei diesem Thema entlang der Landesgrenzen durch die Parteien zieht, ist auch so schon tief und spiegelt sich darin wider, dass das Abgeordnetenhaus die Initiative einer Oppositionsfraktion einstimmig verabschiedete („Das ist schon mal einen Applaus wert“, so Vizepräsident Andreas Gram laut Protokoll). In Brandenburg sieht das Szenario ganz anders aus.

Insbesondere Brandenburgs Linke agiert bei der Braunkohle schizophren: Als Juniorpartner der rot-roten Koalition agiert sie klar gegen die auf Bundesebene formulierten energiepolitischen Ziele, an die sich die Berliner Genossen halten. Nur für die Grünen ist diesseits und jenseits der Landesgrenze klar: Die Braunkohleverstromung gehört so schnell wie möglich zurückgefahren. Das schließt die Öffnung neuer Tagebaue, wie sie der im Juni beschlossene Braunkohleplan von Rot-Rot in Potsdam vorsieht, natürlich aus. „Welzow-Süd II ist eine energiepolitische Weichenstellung“, sagt Michael Schäfer von der Berliner Grünenfraktion – im schlechten Fall eine hin zu mehr Dreck und Klimagasen.

Es geht um die Förderung und Verstromung von 200 Millionen Tonnen Braunkohle. Dabei würde das Zehnfache von dem in die Luft gejagt, was Berlin zurzeit jährlich an CO2 emittiert. Zudem belasteten neue Tagebaue die Spree noch stärker mit Sulfat und Eisen, was sich auch negativ auf die Qualität des Berliner Trinkwassers auswirken würde.

Dass das länderübergreifende Gremium nun die Uhren in Sachen Braunkohle zurückdreht, erscheint aber utopisch. Denn die Beschlüsse der Landesplanungskonferenz müssen einvernehmlich getroffen werden, und die Brandenburger Pro-Kohle-Front steht geschlossen. Nach Einschätzung von Ralf Holzschuher, dem energiepolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Potsdamer Landtag, hat man sich nicht nur in seiner Fraktion über den Berliner Beschluss gewundert: „Da hätte man schon vorher intensiver den Kontakt suchen können. Unter befreundeten Bundesländern hätten wir uns einen anderen Umgang erwartet.“ Im Übrigen gehe es um die Planung in einem Brandenburger Landesteil, der näher an Dresden als an Berlin liege. Dennoch wolle man jetzt auf die Berliner zugehen, so Holzschuher.

Einladung in die Lausitz

Tatsächlich haben die Brandenburger Ausschüsse für Wirtschaft und Energie sowie für Infrastruktur und Landesplanung einen Brief geschrieben und den Berliner Ausschüssen für Wirtschaft und Stadtentwicklung sowie den Vertretern der Senatsverwaltungen eine gemeinsame Sitzung vorgeschlagen – in der Lausitz. Dort wolle man „intensiv diskutieren“, und zwar „möglichst zeitnah“. „Wir wollen, dass beide Länder die jeweils andere Position besser nachvollziehen können“, sagt dazu Holzschuher, und das gehe „am besten vor Ort“. „Wenn wir uns danach besser verstehen, haben wir schon viel erreicht.“