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DAS DING, DAS KOMMTOlympisches Beinkleid

Ihren Ruf als prollige Modesünde hat DIE JOGGINGHOSE längst verloren. Jetzt erobert sie – dank Marketing-Klimbim – die Hamburger Kunsthalle

Wer heute wenigstens teilweise in Sportbekleidung erscheint, spart sich den Eintritt

Kontrollverlust also. Davor hat vor zwei Jahren „Modezar“ Karl Lagerfeld eindringlich gewarnt: „Wer Jogginghosen trägt“, sagte er bei Markus Lanz, „hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Klingt selbstsicher, ist aber auch nur Ausdruck einer tief sitzenden Angst vor Kontrollverlust.

Auf den Laufstegen ist die legere Schlabberhose nämlich längst kein Tabu mehr, sondern „Top-Trend“. Für Lagerfelds Designerkollegin Stella McCartney etwa war sie im vergangenen Jahr unverzichtbarer Bestandteil eines urbanen Glamourlooks. Ihr Image als „Modesünde“ und peinliche Prollklamotte ist die Jogginghose insofern los.

Aber Jogginghose bleibt doch Sporthose, versucht Knigge-Rat-Leiterin Agnes Jarosch zu retten, was zu retten ist: Ist doch egal, ob sie vom Designer kommt! Ins Fitnessstudio gehört sie, vielleicht noch in die Freizeit. Aber ganz sicher auf keine Hochzeit! Schließlich sei Kleidung immer auch Ausdruck der Wertschätzung des Gegenübers: Wer in Ballonseide zu Dress-Code-Anlässen erscheint, beleidigt den Gastgeber. Dem pflichtet übrigens auch Jogginghosen-Legende Gàbor Király bei: Privat würde der Keeper des FC Fulham seine graue Trainingshose nie anziehen.

Wer eben das trotzdem tut, protestiere gegen Konventionen, sagen nun wieder Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts, und Matthias Strohmeier. Letzterer ist Erfinder des „Internationalen Jogginghosentages“, der seit ein paar Jahren jeweils am 21. Januar gefeiert wird und endgültig aufräumen soll mit dem Vorurteil, Träger des bequemen Beinkleids seien niveau- und kulturlose Prolls.

Denn das ist der letzte Damm, der nun zu brechen droht: Nach Schule und Arbeitsplatz erobert die Jogginghose die Hochkultur. In Hamburg passiert am heutigen Samstag nämlich genau das: Sportklamotten entern die Kunsthalle! Denn wer zum heutigen „Olympia-Tag“ der Initiative „Feuer und Flamme“ mit mindestens einem Sportbekleidungsartikel erscheint, spart sich den Eintritt. Mit Kunst hat die Veranstaltung neben all dem Marketing-Klimbim sogar auch zu tun: Man kann sich fiktive Olympiamedaillen gestalten, echte in Vitrinen sehen, und ein Dokumentarfilm klärt darüber auf, dass Kunst von 1912 bis 1948 olympische Disziplin war.

Turnschuhe reichen übrigens nicht. Ganz im Sinne von Stilberaterin Ines Meyrose: Zur Jogginghose trägt die kulturbewusste Frau von heute nämlich „hohe, elegante Schuhe“.  MATT

■ „Olympia-Tag“: Sa, 24. 1., ab 10 Uhr, Hamburg, Kunsthalle

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