: Vom Hindu zum Kirchenminister
Vor sechs Wochen wollte Manu Sareen aus der Kirche austreten. Dann wäre es nichts geworden mit seinem neuen Job. Am Montag wurde er zum dänischen Kirchenminister ernannt. Den braucht man, weil die protestantische Kirche Staatskirche ist. Und die Kirchenmitgliedschaft ist für den Chef dieser „Firma“ eine Minimalvoraussetzung.
Mehr als diese erfülle der 44-jährige Sareen auch nicht, tönte es prompt aus dem konservativen Flügel der protestantischen Folkekirken, der vier von fünf DänInnen angehören. Eine „Provokation“ sei es, der Kirche einen Minister vorzusetzen, der nicht nur sein Leben lang Hindu gewesen sei, bevor er sich vor neun Jahren habe christlich taufen lassen, sondern der auch vorhabe, die Kirche radikal umzubauen.
Das will Dänemarks erster Minister mit Migrationshintergrund – seine Eltern kamen 1970 mit ihm von Indien nach Kopenhagen – tatsächlich. Eine „geschlechtsneutrale Ehegesetzgebung“, also grünes Licht für die kirchliche Homoehe, wird in der Regierungserklärung angekündigt. Und Sareen, der bislang für seine sozialliberale Radikale Venstre im Kopenhagener Stadtparlament saß, soll auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Trennung von Staat und Kirche sowie eine Gleichstellung der protestantischen mit anderen Glaubensgemeinschaften schaffen.
So skeptisch wie konservative Kirchenkreise auf seine Ernennung reagierten, so überschwänglich ist das Lob seitens der Homo-Organisation LGBT. Der mit einer Krankenschwester verheiratete dreifache Vater und Sozialpädagoge, der nebenbei sieben Kinderbücher über die Abenteuer des Iqbal Farooq in Dänemark und ein Kochbuch „Indisch kochen auf Dänisch“ geschrieben hat, engagiert sich als Politiker seit Jahren für die Gleichstellung sexueller Minderheiten. Seine unterschriebene Kirchenaustrittserklärung hatte ihren Grund in der Weigerung der Kirche, „zwei meiner männlichen Freunde zu trauen“.
Abgeschickt wurde sie nicht. Auf dem Weg zum Briefkasten traf er einen Politikerkollegen. Der empfahl ihm, vor einer solchen Entscheidung bis 1.000 zu zählen. Sareen steckte den Brief weg. Und begann zu zählen.
REINHARD WOLFF
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