„Wir brauchen kontinuierliche Förderer“

Diejenigen, die vom Suchdienst des Roten Kreuzes profitierten und aus Dankbarkeit eintraten, sterben aus. Die Folge: Mitgliederschwund. Demenzkranke habe man aber nicht geworben, sagt der Hamburger Geschäftsführer Georg Kamp

GEORG KAMP, 47, ist hauptamtlicher Geschäftsführer des Hamburger Landesverbandes der Hilfsorganisation Deutsches Rotes Kreuz (DRK).

INTERVIEW ELKE SPANNER

taz: Gegen den Hamburger Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes wurde der Vorwurf erhoben, unseriöse Werber hätten demenzkranken Menschen Mitgliedschaften untergejubelt. Stimmt das?

Georg Kamp: Nein. Für das Hamburger Rote Kreuz wurden nach unseren Kenntnissen keine Demenzkranken als Mitglieder geworben. Solche Verträge würden wir auch nicht anerkennen. Da wir in einem Fall aber tatsächlich Zweifel an dem rechtmäßigen Zustandekommen von einigen Mitgliedsverträgen hatten, haben wir diese aus Vorsicht für ungültig erklärt. Viele der betroffenen Mitglieder haben sich nun ihrerseits wieder bei uns gemeldet und bestehen darauf, dass wir ihre Mitgliedschaft anerkennen. Sie verwahren sich gegen die Behauptung, dement zu sein.

Warum arbeitet eine gemeinnützige Organisation wie das DRK überhaupt mit professionellen Werbefirmen zusammen?

Wir sind auf Mitgliederwerbung durch professionelle Firmen angewiesen, zumal sich für diese Aufgabe keine ehrenamtlichen Mitarbeiter finden. Die traditionelle Verbundenheit vieler Menschen mit dem DRK und anderen Wohlfahrtsverbänden ist nicht mehr so gegeben wie in der Vergangenheit. Viele Menschen waren uns lange als Spender oder Förderer verbunden, weil sie sich noch an die Hilfe durch das DRK nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerten. Damals haben wir ihren Familien geholfen oder diese nach dem Krieg durch unseren Suchdienst wieder zusammengeführt. Doch diese Generation stirbt nun aus.

Spüren Sie das an Ihrem Etat?

Ja. Ein weiterer Punkt ist, dass das DRK zwar in bestimmten wirtschaftlichen Bereichen tätig ist und Geld verdient. Darüber hinaus leisten wir aber auch gemeinnützige Arbeit, die viel Geld kostet. Das versuchen wir dadurch aufzufangen, dass wir dauerhaft Fördermitglieder gewinnen. Es ist ein Irrglaube zu denken, dass sämtliche Angebote, die das DRK oder andere Wohlfahrtsverbände machen, staatlich refinanziert sind. Wo wir Bedürfnisse erkennen und der Staat nicht einspringt, müssen wir das Geld aufbringen.

Aber sind gerade Haustürgeschäfte nicht immer ein bisschen anrüchig?

In der öffentlichen Meinung werden Haustürgeschäfte tatsächlich als anrüchig betrachtet. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite funktioniert das vollkommen legal. Die Leute schließen einen Vertrag ab und werden darauf hingewiesen, dass sie diesen jederzeit sofort stornieren können. Dafür genügt ein Telefonanruf. Dass das DRK mit seinen Mitgliedern korrekt umgeht, zeigen auch die Zahlen: Wir haben in Hamburg immerhin 60.000 Fördermitglieder, die im Durchschnitt 14 Jahre bei uns bleiben.

Ist es übliche Praxis auch in anderen Landesverbänden, offensiv mit Dienstleistungsfirmen Mitglieder zu werben?

Für andere kann ich nicht sprechen. Aber es ist so, dass nahezu alle großen Hilfsorganisationen Spenden und Fördermitgliedschaften mit Dienstleistungsagenturen generieren. Und Sie finden von allen Wohlfahrtsverbänden beispielsweise auch in Fußgängerzonen Stände, an denen Passanten auf Angebote hingewiesen und um Mitgliedschaft gebeten werden.

Seit 1945 bemüht sich der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, Familienangehörige zusammenzuführen. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die Mitte der 80er Jahre half der Suchdienst Tausenden „deutschen Volkszugehörigen“ aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland einzureisen und ihre Angehörigen wiederzufinden. Seit 1987 ist die Ausreise aus Osteuropa aufgrund der politischen Umbrüche leichter als in den Jahrzehnten zuvor. Dies führte zu einer Ausreisewelle aus Polen und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Allein 1990 reisten 400.000 Menschen aus diesen Ländern nach Deutschland ein. Da die Verwaltungsverfahren zur Einreise aber kompliziert sind, engagiert sich der Suchdienst des Roten Kreuzes bis heute vor allem bei der diesbezüglichen Beratung und Rechtshilfe und hilft Familien, sich mit der Gesetzeslage vertraut zu machen. 2001 wurden rund 16.000 Hilfeersuchen an den Suchdienst gerichtet.  STL

Wie stark bekommen Sie zu spüren, dass die Generation, die Ihnen über den Krieg noch verbunden ist, wegstirbt?

Unsere Förderer nehmen kontinuierlich ab. Und wir bekommen es bei den Testamenten zu spüren. Es gibt nicht mehr so viele letztwillige Verfügungen, die das DRK bedenken. Wir haben aber ein großes Interesse daran, Menschen zu finden, die unsere Arbeit dauerhaft unterstützen wollen, nicht nur katastrophenbezogen – so anerkennenswert das auch ist. Unsere Mitglieder haben dann auch das Recht, unsere Arbeit aktiv mitzugestalten, über Stimmrechte in der Mitgliederversammlung. Es ist nicht so, dass die nur zahlen, sondern sie können sich aktiv beteiligen.

Nach außen hin wirkt gerade das DRK finanzkräftig, weil es ein internationaler Verband und weltweit tätig ist.

Wir sind darauf angewiesen, unsere Arbeit zu refinanzieren. Nehmen Sie den Tsunami als Beispiel: Da haben wir etliche Millionen Euro von der Bevölkerung bekommen, um in den Katastrophenregionen zu helfen. Ein paar Monate später gab es ein Erdbeben in Pakistan. Die Not der dortigen Menschen war genauso groß. Doch die Spendenbereitschaft für die Menschen in Pakistan ging gegen Null. Wir halten es aber für unsere Aufgabe, auch in Ländern zu helfen, für die es wenig öffentliches Interesse gibt. Dafür müssen wir bestimmtes Personal vorhalten, Hilfsgüter anliefern und vieles mehr. Das kostet viel Geld.